Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lily und der Major

Lily und der Major

Titel: Lily und der Major
Autoren: Linda Lael Miller
Vom Netzwerk:
lächelte der Major. »Sie sind
also davongelaufen«, stellte er fest.
    »Nein«, log Lily. »Und selbst wenn,
ginge es Sie nichts an.«
    »So?« Major Halliday drehte ihre Hand in seiner und
begann die zarte Haut an ihrem Handgelenk
zu streicheln. Diese Berührung löste eine Reihe von verwirrenden Gefühlen in
Lily aus, nicht zuletzt eine süße Schwere in ihren Brüsten und eine kribbelnde
Wärme in ihrem ganzen Körper.
    Die Tür der Pension öffnete sich,
und Mrs. McAllister – Gott segne ihre Neugier! – steckte ihre Nase heraus.
»Zeit hereinzukommen, Lily. Sagen Sie Ihrem jungen Mann gute Nacht.«
    Lily bedachte Caleb mit einem
giftigen Blick. »Er ist nicht mein junger Mann«, erwiderte sie
entschieden. Am Tag, an dem sie etwas mit einem Soldaten begann, würden Iris in
der Hölle blühen!
    Calebs Grinsen war unverschämt.
»Noch nicht«, sagte er, so leise, daß die scharfen Ohren der Hauswirtin es
nicht hören konnten. »Wir sehen uns morgen, Lily.«
    Sie drehte sich verärgert um und
stürmte ins Haus. Es war ein schrecklicher Tag gewesen, und sie war froh, daß
er vorüber war.
    Nachdem sie sich eine Tasse Tee
aufgebrüht hatte, ging sie über die Hintertreppe zu ihrem Zimmer und setzte
sich auf das schmale Bett, um die Schuhe abzustreifen. Dann streckte sie sich
mit einem Seufzer aus und bewegte ihre schmerzenden Zehen.
    Um ihre Gedanken von Major Caleb
Halliday abzulenken, dachte sie an Rupert. Sie hätte ihrem Bruder schreiben und
ihm mitteilen müssen, daß sie wohlauf war, aber wenn sie ihn wissen ließ, wo
sie sich aufhielt, würde er sicherlich herkommen und sie nach Spokane
zurückschleifen.
    Sosehr Lily ihren Bruder liebte,
hätte sie doch das Leben, wie er es für sie geplant hatte, nicht ertragen. Sie
wollte weder in einer Schule unterrichten noch in irgendeinem Laden Kaffeebohnen
und Stoff verkaufen. Oder den erstbesten passenden Bewerber heiraten, der um
ihre Hand anhielt.
    Lily starrte an die Zimmerdecke und
lächelte zufrieden. Die Besitzurkunde über das neugewonnene Land war gut
versteckt.
    Lily wollte Farmer werden. Nächstes
Jahr um diese Zeit würde sie in ihrem eigenen sonnenüberfluteten Tal Obstbäume
pflanzen, einen Gemüsegarten anlegen und sich ein Dutzend Hühner halten.
    Doch dann verblaßte ihr Lächeln.
Bevor sie damit beginnen konnte, brauchte sie eine Hütte zum Wohnen. Und ihr
war klar, daß es ihr bei aller Entschlossenheit nicht gelingen würde, selbst
die Bäume dafür zu fällen, ganz zu schweigen davon, die Stämme dorthin zu
schleppen, wo sie ihr Häuschen errichten wollte.
    Seufzend stand sie auf, um sich
auszuziehen. Sie würde einen Weg finden, ihr Haus zu bauen. Sie würde es schon
schaffen. Irgendwie.
    Die Kirchenglocken weckten Lily mit ihrem beharrlichen
bim, bam, bim, bam, und sie sprang erschrocken aus dem Bett. Sie war wieder
einmal zu spät erwacht und würde nun zu spät zur Messe kommen, was ihr ganz
sicher Mrs. McAllisters Zorn eintrug.
    Hastig zog Lily sich an, fuhr
schnell mit der Bürste über ihr Haar und begann es aufzustecken. Und da klopfte
Elmira McAllister auch schon an die Tür. »Lily?« rief sie ungeduldig. »Hast du
schon wieder verschlafen?«
    Es gehörte zu Mrs. McAllisters
festen Regeln, daß alle Damen, die bei ihr wohnten, an der sonntäglichen Messe
teilzunehmen hatten. Hätte Lily eine andere Möglichkeit zum Wohnen gehabt,
wäre es ihr sicher merkwürdig erschienen, daß die männlichen Bewohner der
Pension den Sonntagvormittag rauchend im Salon verbrachten und sich über ihr
Seelenheil keine Gedanken zu machen schienen ...
    Aber so, wie die Dinge lagen,
schnappte Lily sich ihre Bibel, riß die Tür auf und begrüßte ihre Hauswirtin
mit einem leicht verzerrtem Lächeln und einem atemlosen: »Hier bin ich!«
    Die plumpe Hausbesitzerin schnaubte
nur verärgert. Ihr braunes, schon weiß durchsetztes Haar war zu dem üblichen
strengen Knoten auf dem Oberkopf zusammengefaßt, und ihre dunklen Augen
musterten Lily mißtrauisch. »Ich möchte wetten, daß der Chor schon das erste
Lied gesungen hat, bevor wir unsere Plätze einnehmen«, sagte sie vorwurfsvoll.
Dann wandte sie sich um und ging die schmale Treppe voran nach unten.
    Draußen schien die Sonne, und Lily
stellte erfreut fest, daß der Himmel vom gleichen tiefen Blau war wie Mrs.
McAllisters Zuckerdose aus chinesischem Porzellan. Die Fliederbüsche neben dem
Gartentor zeigten die ersten Knospen, und der Frühlingsregen in der Nacht
hatte das neue Gras austreiben lassen.
    Lily
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher