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Lily und der Major

Lily und der Major

Titel: Lily und der Major
Autoren: Linda Lael Miller
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atmete tief ein und wünschte
sehnlichst, den Morgen auf ihrem Land verbringen zu können, das sich auf halbem
Wege zwischen Tylerville und Fort Deveraux befand. Dort wäre sie Gott bestimmt
näher gewesen als in irgendeiner Kirche.
    Aber sie folgte ihrer Hauswirtin
ergeben und setzte sich still auf eine Bank, den Blick auf den Pastor
gerichtet, der gerade seinen Platz auf der Kanzel einnahm. Sie zuckte leicht
zusammen, als sich jemand neben sie setzte und sie zwang, zur Seite zu rücken.
    Lilys braune Augen wurden schmal,
als sie Caleb Halliday erkannte. Der Major trug eine frische blaue Uniform,
seine Stiefel waren blank poliert, und den Hut hielt er respektvoll in der
Hand.
    Er schaute Lily einen Moment mit
stummem Vorwurf an, als hätte sie ihm seinen Platz genommen, dann richtete er
den Blick wieder auf die Kanzel.
    Ein oder zweimal im Verlauf der
Messe streifte Calebs muskulöser Schenkel Lilys Rock, und wieder hatte sie das
seltsame Gefühl, ganz unvermutet in einen Orkan geraten zu sein.
    Im Gedränge nach der Messe gelang es
Lily nicht, Major Halliday aus dem Weg zu gehen. Er war direkt hinter ihr,
seine Nähe war ihr mit fast schmerzhafter Intensität bewußt.
    Als Lily draußen unter einem großen
Ahornbaum stand, fächelte sie sich mit ihrer Bibel Luft zu und atmete tief ein.
    »Eine schöne Predigt, finden Sie
nicht?« bemerkte der Major, während er lächelnd Lilys Erröten und ihre Verlegenheit
zur Kenntnis nahm.
    Lily hätte sich um nichts in der
Welt an den Inhalt von Reverend Westbrooks Predigt entsinnen können, denn zu
sehr hatte sie beschäftigt, welche seltsamen Gefühle Major Halliday in ihr
wachrief. »Ja, sie war sehr schön«, stimmte sie mürrisch zu.
    »Ich habe Salomons Weisheiten schon
immer als sehr ermutigend empfunden«, fuhr der Major fort.
    Lily wollte flüchten, und doch
rührte sie sich nicht vom Fleck. »J-ja«, sagte sie unsicher. »Sie inspirieren
uns alle. Es war sehr geschickt von Reverend Westbrook, sie zum Thema seiner
heutigen Predigt zu nehmen.«
    Calebs Lächeln war eine Spur dreist,
und wie immer löste es eine seltsame Schwäche in Lilys Knien aus. »Vielleicht
wird er es eines Tages tun«, meinte er. »Heute sprach er nämlich über Jonas und
den Wal.«
    Lily spürte, wie ihr das Blut in die
Wangen schoß. »Es scheint Ihnen großen Spaß zu machen, mich als Närrin dastehen
zu lassen!« sagte sie empört.
    »Keineswegs«, entgegnete Caleb
sanft. »Aber ich sehe es so gern, wie Ihre Augen funkeln, wenn Sie glauben, zum
Narren gehalten worden zu sein. Darf ich Sie nach Hause begleiten, Miss
Chalmers?«
    »O nein. Und ich wäre Ihnen sehr
dankbar, wenn Sie aufhören würden, mich zu belästigen, Major.« Lily wandte
sich ab und ging auf die Straße zu.
    Caleb ergriff ihren Arm und stellte
sie damit vor die Wahl, entweder eine Szene zu machen oder ihn anzusehen. Da
Lily wußte, daß Mrs. McAllister ein wachsames Auge auf sie hatte, tat sie so,
als drehte sie sich aus eigenem Antrieb zu Caleb um.
    »Begleiten Sie mich zu einem
Picknick«, sagte er. Es war keine Einladung, sondern ein Befehl.
    Das Blut pochte in Lilys Schläfen.
Seine Arroganz war ungeheuer. »Ich glaube nicht, daß das schicklich wäre«,
erwiderte sie, als sie sich von ihrem Erstaunen erholt hatte. »Schließlich
kennen wir uns kaum.«
    Caleb seufzte und setzte seinen Hut
auf. »Und Sie scheinen es darauf angelegt zu haben, daß wir uns auch nie
richtig kennenlernen werden.«
    Er klang resigniert und leicht
verletzt, und das tat Lily wider ihren Willen leid. Denn sie fand den Major
durchaus attraktiv, wenn auch um einiges zu beharrlich. »Ich komme mit, wenn
Mrs. McAllister ihre Erlaubnis gibt«, sagte sie und war sehr stolz auf ihren
Einfallsreichtum.
    Das Zwinkern in Calebs Augen verriet
ihr, daß er genau wußte, daß sie mit einer Ablehnung von seiten Mrs. McAllisters
rechnete. Aber er drehte sich dennoch um und suchte ihre Hauswirtin in der
Menge, wo sie sich mit zwei anderen Mitgliedern des Chors unterhielt.
    Lily beobachtete verdutzt, aber auch
wütend, wie Caleb auf Mrs. McAllister zuging und den Hut vor ihr zog. Sehr
höflich sagte er etwas zu ihr, und die Frau legte in seligem Entzücken eine
Hand an die Brust und schaute strahlend zu ihm auf.
    Dann kam er zurück, sehr zufrieden
mit sich selbst, und verkündete lächelnd: »Sie sagte, ich müßte Sie vor
Sonnenuntergang zurückbringen.«
    Wenn Lily etwas anderes als die
Bibel in der Hand gehalten hätte, hätte sie es auf den Boden
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