Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liliane Susewind – Mit Elefanten spricht man nicht! (German Edition)

Liliane Susewind – Mit Elefanten spricht man nicht! (German Edition)

Titel: Liliane Susewind – Mit Elefanten spricht man nicht! (German Edition)
Autoren: Tanya Stewner
Vom Netzwerk:
sich, ob sie ihm die Sache mit den Tieren auch noch erzählen sollte. Das würde er ihr ohne Beweis erst recht nicht glauben.
    »Hast du eine Ahnung, warum du das kannst? Oder wie du das genau machst?«, fragte Jesahja neugierig weiter.
    »Ich mach ja gar nichts! Jedenfalls nicht absichtlich. Es passiert ganz von allein.«
    »Wissen deine Eltern davon?«
    »Natürlich! Seit ich geboren wurde, sind meine Eltern damit beschäftigt, es irgendwie zu vertuschen.«
    »Warum das denn?«
    »Warum?« Lilli zog die Stirn in Falten und versuchte die Frage zu verstehen.
    »Ja, warum?«, beharrte Jesahja.
    »Na weil … es keiner wissen darf!«
    »Und wieso darf es keiner wissen?«
    Diese Frage erschien Lilli noch unsinniger als die erste. Sie kratzte sich am Kopf und sagte: »Weil sich dann alle vor mir fürchten und nicht mehr mit mir sprechen würden.«
    Jesahja betrachtete sie aufmerksam und nickte dann bedächtig. »Hast du schon mal schlechte Erfahrungen gemacht?«
    »Mhm«, bejahte Lilli. »Jede Menge.« Sie scharrte mit der Ferse kleine Kreise in die Erde und musste erst überlegen, ob sie noch mehr preisgeben wollte. Dann sagte sie: »Jedes Mal, wenn jemand etwas … davon mitbekommen hat, dann …«
    »… dann hat er Angst gekriegt und ist weggelaufen«, beendete Jesahja ihren Satz. »So wie ich.«
    »Ja, so wie du. Aber … es ist ja auch wirklich beängstigend.«
    »Hat es noch nie jemand schön gefunden?«
    »Schön?« Lilli wiederholte das Wort ungläubig und schüttelte dann heftig den Kopf. »Nein, ganz sicher nicht. Manche Leute dachten, es wäre irgendein Trick dabei. Aber die meisten Menschen finden es einfach nur unheimlich und denken, ich könnte auch noch andere Sachen – ihre Gedanken lesen oder ihre Haare durch Zaubersprüche in Brand stecken oder so. Die meisten fürchten sich einfach, weil sie nicht verstehen, wie es so was geben kann.« Lilli machte eine Pause und vergewisserte sich, dass Jesahja weiterhin ernsthaft zuhörte und nicht aussah, als würde er sich über sie lustig machen wollen. »Die Eltern von Schulfreunden haben ihren Kindern oft verboten, mit mir zu spielen«, erzählte sie dann weiter. »Und meine Lehrerinnen wussten meistens nicht, wie sie mit mir umgehen sollten. Dabei finde ich gar nicht, dass man mich anders behandeln muss als die anderen. Aber es wurde dann immer so viel über mich geredet, und alle waren meinetwegen so aufgeregt, dass wir irgendwann wegziehen mussten.«
    »Menschen sind komische Leute«, sagte Jesahja daraufhin, und Lilli lachte. Im selben Augenblick öffnete sich neben ihr eine Blüte des Busches.
    »Da!«, rief Jesahja und zeigte auf den leuchtend roten Farbklecks, der binnen Sekunden immer größer wurde. Lilli sah jedoch nicht zu der Blume hin, da sie ahnte, was gerade passiert war und worauf er zeigte. Viel interessanter fand sie Jesahjas Gesichtsausdruck, der diesmal keine Spur von Entsetzen aufwies. Jesahja sah eher aus wie ein Forscher, der ein faszinierendes Studienobjekt vor sich hat.
    »So!«, rief Lilli ablenkend. »Jetzt zu deinem Geheimnis.«
    Jesahjas Begeisterung ließ schlagartig nach, und er verzog das Gesicht zu einer missmutigen Grimasse.
    »Du musst deinen Teil der Abmachung ebenfalls einhalten«, entrüstete Lilli sich, aber Jesahja machte sofort eine beschwichtigende Handbewegung. »Das werde ich«, versicherte er. »Es ist nur … ich hab das noch nie jemandem erzählt.«
    »Nicht mal deinen Eltern?«
    »Nein, niemandem. Ich hielt es bisher immer für das Beste, wenn es ein Geheimnis bleibt.«
    »Wenn was ein Geheimnis bleibt?«
    Jetzt kamen sie dem Kern der Sache langsam näher, aber Jesahja begann nun herumzudrucksen: »Also, es ist eigentlich gar nicht der Rede wert.«
    »Meine Oma hat gesagt, dass Goethe für die meisten Erwachsenen schon zu schwierig ist«, half Lilli ihm auf die Sprünge.
    »Hat sie das tatsächlich gesagt? Das ist Ansichtssache.« Jesahjas Augen leuchteten interessiert auf. »Ich glaube, es hängt davon ab, ob man ein Gefühl für Lyrik hat und ob man etwas mit Metaphern und Symbolen anfangen kann –«
    Als Lilli wegen all der Fremdwörter die Kinnlade herunterfiel, hielt Jesahja plötzlich inne und begriff, dass er sich gerade verraten hatte.
    »Du bist ein Wunderkind!«, rief Lilli unvermittelt und zeigte mit dem Finger auf ihn.
    »Ein was?«
    »Ein Wunderkind! Ein Genie!«
    Jesahja lächelte schwach und schien von dieser Bezeichnung wenig zu halten. » Hochbegabt nennt man das heutzutage«, murmelte er kaum
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher