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Lila Black 03 - Elfentod

Lila Black 03 - Elfentod

Titel: Lila Black 03 - Elfentod
Autoren: Justina Robson
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Opferrolle an – man war das Opfer einer unwirklichen Realität. Damit war man leichte Beute für jeden, der wusste, wie man auf die Palme zu bringen war. Und wer sich selbst nichts vormachte, der konnte mit Leichtigkeit die Probleme anderer Leute durchschauen, den Selbstbetrug, die Beweggründe und Ängste.
    Lila war noch immer der Meinung, dass es menschlich war, einige Illusionen zu haben und die Dinge nicht so deutlich zu sehen, wie die Dämonen es von sich behaupteten. Aber die Dinge wirklich als das zu erkennen, was sie waren … das besaß eine Kraft, die sie nicht leugnen konnte. Allerdings konnte man diese Kraft nicht als Waffe benutzen. Es war eher eine Kraft, der man folgte, wie man einer Strömung folgte, oder man konnte dagegen ankämpfen, dagegen anschwimmen und ertrinken. Tatsächlich konnte man so oder so ertrinken. Das Wissen, wie die Dinge wirklich beschaffen waren, reichte nicht aus, um sich vor ihnen zu schützen. Es war wie das Wissen darum, wie ein Vulkan funktionierte … das würde einen auch nicht vor dem Flammentod schützen, wenn man bei einem Ausbruch zu nah dran war.
    Lila hatte einmal geglaubt, dass solche großartigen Kräfte -›Die Wahrheit‹ zu sehen und derlei Dinge mehr – es waren, die Helden ausmachten, und man durch sie eine Art Immunität gegen das Leid erhielt. Sie wirkten legendär und wie aus einer anderen Welt, übernatürliche Kräfte, jenen vorbehalten, die spirituell weit genug entwickelt waren. Aber nein, so war es ganz und gar nicht. Man musste nur aufhören, sich etwas vorzumachen, und schon besaß man diese Kräfte (obwohl das nicht eben einfach war, wenn man sich ein Leben lang etwas von anderen Menschen hatte vormachen lassen, die ebenfalls beschwindelt wurden und aus einer langen Reihe von ebenso beschwindelten Leuten stammten, die alle sehr gute und aufrichtige Gründe hatten, diesen ganzen Schwindel zu glauben).
    Die seherischen Gaben der Helden, die wahrhaftig sahen – die sie für so erhaben und ehrenvoll gehalten hatte –, zeigten einem stattdessen die Grenzen der eigenen Macht auf; was man zu tun oder nicht zu tun vermochte und wann. Sie verstand das nun. Das stand im Gegensatz zu den Träumen von Allwissenheit, die sie früher gepflegt hatte, in denen alles so offensichtlich war, dass man nur das Richtige zum richtigen Zeitpunkt machen musste, um die Welt in eine gewünschte Richtung zu lenken. Jedes Mal, wenn sie erkennen musste, wie falsch sie damit lag, war es wie ein Schlag ins Gesicht mit einem nassen, seit Wochen toten Fisch. So wie bei ihrer Mutter und ihrem Vater, die im Augenblick des Todes ihre selbstzerstörerische Natur erkannten, es im Leben aber nie gekonnt hatten, wo es doch noch einen Nutzen gehabt hätte. Oder wie bei Lila, die versucht hatte, sie mit Lügen und Täuschungen zu schützen, und sie dabei nur in ihrer Torheit bestärkt, sie dabei aber insgeheim verabscheut hatte und nur vorgab, sie würde sich liebevoll um sie kümmern. Die schreckliche Sinnlosigkeit des Ganzen ließ ihr Tränen in die Augen steigen, und sie bekam einen Kloß im Hals. Dass sie es ihnen hatte zeigen wollen, mit einem netten Beruf und ihrem überlegenen Sinn dafür, wie man das Leben organisieren musste, wie man zu einer besseren Person wurde, dabei aber ihrer Schwester vorwarf, ausgezogen zu sein und sich aus dem Staub gemacht zu haben und grob und geringschätzig über ihre Eltern zu reden …
    Ja, die klare Sicht der Dämonen war nur schwer zu ertragen. Weil sie das Gefühl hatte, dass sie sich den meisten Offenbarungen bereits gestellt hatte, die sie mit sich brachte, hatte sie nicht mehr ganz so viel Angst vor Madame. Aber das mochte wiederum nur an ihrer beschränkten Einsicht liegen, dachte sie, während Thingamajig deutlich besser über Madame Bescheid wusste, wenn er auch vergessen hatte, warum. Lila hatte auch keine Ahnung, und so gab sie sich damit zufrieden herauszufinden, ob Madame einen wie auch immer gearteten Weg kannte, sie aus der Hölle zu befreien, denn zumindest diese Macht besaß Madame. Lila wusste davon, weil sie es für Zal getan hatte.
    Ihr fiel etwas ein, als sie durch den mit einem Perlenvorhang versehenen Eingang zum Suk trat und die Seelenwachen mit dem Geräusch von tausend kleinen Seufzern im Wind klirrten. »Bist du darum ein Kobold, weil du nicht die ganze Wahrheit anerkannt hast?«
    »Es war keine Wahrheit«, gab Thingamajig scharf zurück und betonte das letzte Wort. »Es war eine Annahme. Eine Hypothese. Ein Gedanke.
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