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Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)

Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)

Titel: Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
Autoren: Renate Schley
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geschlafen.
    Er korrigierte sich sogleich bei einem weiteren, genaueren Blick in Sarahs Gesicht, weil er plötzlich erkannte, dass sie schon sehr lange nicht mehr genug Schlaf bekommen haben musste. Unter ihren Augen lagen tiefe bläuliche Schatten, während sie gleichzeitig erschreckend blass war.
    Robert schämte sich, weil ihm das erst jetzt, ausgerechnet in dem Moment auffiel, da der Abschied wieder einmal unmittelbar bevorstand und Sarah wohl auch deshalb immer einsilbiger geworden war.
    Als sie nun von ihrem Stuhl aufstand, um ihre Tasse in der Spüle auszuleeren, ohne überhaupt einen Schluck Kaffee getrunken zu haben, fiel Robert auch auf, wie dünn sie war.
    Das schmale Jeanskleid, das sie an diesem Morgen trug, ließ gar keinen Zweifel daran zu, dass Sarah in den zurückliegenden Wochen erheblich an Gewicht verloren hatte, ohne dass es Robert, der regelmäßig die Wochenenden mit ihr verbrachte, überhaupt aufgefallen wäre.
    Er war blind gewesen. Blind und höchstwahrscheinlich auch taub, denn plötzlich holte ihn die Erinnerung daran ein, dass Sarah mehrfach versucht hatte, ihm etwas zu sagen, doch da er immer so schrecklich beschäftigt war mit seinen eigenen Dingen, war es bei diesen halbherzigen Versuchen geblieben.
    Warum, zum Teufel, war er so gleichgültig gewesen? Wann hatte das angefangen? Und wieso hatte Sarah sich das gefallen lassen? Früher hätte sie das nicht geduldet, früher hätte sie sich Gehör verschafft – aber früher war ja ohnehin alles anders gewesen.
    Sarah war still geworden. Aus irgendeinem Grund schienen ihr die Worte ausgegangen zu sein, zog Robert das erbarmungslose Fazit dieses Morgens. In der nächsten Sekunde erwachte in ihm der Verdacht, dass Sarah möglicherweise wegen ihres bevorstehenden 40. Geburtstages lediglich einen solchen Wirbel veranstaltete, um überhaupt noch ein Gesprächsthema mit ihm zu haben.
    „Geht es dir gut, mein Liebes?“, fragte er halblaut, nun mit veränderter Stimme, während sein Blick noch immer auf ihr ruhte.
    Sie kehrte an den Frühstückstisch zurück, legte eine Hand auf den Stapel Klausuren, mit der anderen Hand suchte sie nach irgendetwas in ihrer Umhängetasche, in der sie die Arbeiten ihrer Schüler seit eh und je transportierte.
    „Wie?“ Roberts Frage schien sie zu irritieren. Sie warf ihm einen verblüfften Blick zu: „Natürlich geht es mir gut. Weshalb?“
    „Ich finde, du siehst schlecht aus. Deshalb“, sagte Robert so sachlich wie möglich.
    Sie wurde ironisch. „Das sind die Worte, die eine Frau zu ihrer moralischen und seelischen Erbauung an einem Montagmorgen braucht. – Robert, es ist in jedem Jahr das Gleiche. Ich muss meinen Abiturjahrgang durch die Prüfungen bringen, egal, wie. Und ich habe sehr viel Zeit und Kraft investiert, um dabei keine unangenehmen Überraschungen zu erleben.“
    „Ja, natürlich“, lächelte er. „Aber wie ich dich kenne, schaffen alle deine Schüler das Abitur. Genau wie im vorigen Jahr.“
    „Eben!“ Nun klang Sarahs Stimme wieder ruhig, sachlich und völlig zweifelsfrei. „Wir haben lange auf dieses Ziel hin gearbeitet.“ Sie lächelte kurz, um dann hinzu zu fügen: „Ich bin eigentlich auch ganz sicher, dass alle bestehen werden. Trotzdem regt es mich immer noch auf. Alle Jahre wieder.“
    Robert schwieg. Dann, nach einem weiteren langen Moment der Stille zwischen ihnen, fragte er halblaut: „Lieben wir uns noch, Sarah?“
    Einen Moment lang schien es, als hätte sie seine Frage gar nicht gehört, denn weder ihre Haltung noch die hektische Geschäftigkeit, mit der sie in ihrer Tasche wühlte, veränderten sich. Aber dann hob sie, ganz langsam, doch noch den Kopf. Ihr Gesicht war blass, sie hatte Tränen in den Augen und Robert, der erkannte, wie sie um eine Antwort rang, begriff schlagartig, dass er das nicht hätte fragen dürfen.
    Nicht jetzt.
    Nicht in diesem Moment.
    Es war die falsche Frage zur falschen Zeit.
    Falsches Timing nannte man das heutzutage.
    Keiner wusste das besser als er.
    Und er wusste auch, dass sich ein falsches Timing höllisch rächen konnte.
    „Natürlich lieben wir uns noch, Robert“, Sarahs Worte kamen so langsam wie Bilder, die man im Zeitlupentempo abspulte. „Es tut mir leid, dass ich… also, dass unsere Wochenenden in der letzten Zeit nicht so… so sind, wie du sie dir möglicherweise vorstellst…“ Ihre Stimme begann zu zittern, gleich würde sie anfangen zu weinen, fürchtete Robert und das würde er nicht ertragen.
    Nicht nur, weil es
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