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Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)

Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)

Titel: Liebeslied für einen Fremden: Das Buch der Liebe (German Edition)
Autoren: Renate Schley
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dabei um jemand wie Julian Debus ging.
    Der junge Mann, der lediglich eine leere, zusammengeknüllte Zigarettenschachtel in seiner rückwärtigen Jeanstasche gefunden hatte, hob nur einmal die Augenbrauen. Das ließ ihn unerträglich herablassend aussehen und auch das war ihm bewusst.
    „Ich denke, es wird meine Mutter nicht so erschüttern wie der Geruch deines Parfüms. Mein Gott, Jessica, du verbreitest eine ganze Wolke von diesem Zeug, als hättest du dich darin gewälzt. Was, zum Teufel, ist das?“
    Ihr Mund zitterte. Julian registrierte es mit einer gewissen Schadenfreude. Gleich würde sie in Tränen ausbrechen und ihn einen Rohling nennen. Das kannte er schon, darauf war er vorbereitet und er freute sich auf den Moment, da sie wieder einmal vor seiner Grausamkeit resignierte.
    „Aber… du hast mir doch… Das Parfüm hast du mir doch zum Geburtstag geschenkt“, stieß sie hilflos hervor.
    Julian zielte mit der leeren Zigarettenpackung haarscharf an Jessica vorbei, um das Wurfgeschoss dann im nächsten Papierkorb landen zu lassen.
    „Tatsächlich?“ fragte er dabei überrascht. „Wie bin ich denn auf die Idee gekommen? Da muss ich wohl bis in die Haarspitzen zugedröhnt gewesen sein.“
    Jessicas Lippen zitterten stärker. „Ich hasse dich“, sagte sie mit erstickter Stimme, aber Julian dachte nicht daran, Mitleid mit ihr zu haben.
    „Das weiß ich“, meinte er kühl. „Du müsstest eigentlich gar nicht hier sein, ist dir das klar? Ich habe dich nicht gebeten, von Berlin nach Hamburg zu kommen. Du hast es trotzdem getan. Wieso? Du wusstest doch, dass ich keine Zeit für dich haben würde, weil ich übers Wochenende bei Freunden war, um hier heute meine Mutter zu treffen.“
    Jessica schluckte tapfer die immer stärker in ihr an die Oberfläche drängenden Tränen herunter. „Ich wollte eben… also, ich dachte, es wäre schön, deine Mutter mal wieder zu sehen…“
    „Wozu?“ Julian war jetzt eiskalt. „Du konntest sie nie leiden und sie mochte dich auch nicht. Irgendwie wärst du nicht standesgemäß für ihren Kronprinzen, hat sie mal gesagt.“
    Damit ließ er Jessica stehen, um sich aus einem Automaten Zigaretten zu ziehen. Er suchte sich seinen Weg durch die Menschenmenge, die eben auf einer Rolltreppe von einem anderen Bahnsteig herauf gerollt kam und sich wie eine Sturzflut in die Wartehalle ergoss. Das Gedränge nahm noch zu, als ein weiterer Zug ankam, der sich ebenfalls seiner menschlichen Fracht entledigte, indem er sie auf den Bahnsteig ausschüttete, von wo aus der Strom sofort zu den Rolltreppen eilte, um nach oben zu gelangen.
    Julian hielt es für klüger, am Zigarettenautomaten abzuwarten, dass sich die Masse der Reisenden entwirrte und schließlich auflöste. Aus der Distanz beobachtete er ein wogendes Meer von fremden, nichts sagenden Gesichtern –
    als er mittendrin plötzlich in das Gesicht einer Frau blickte, die er kannte.
    Es dauerte eine Sekunde, dann wusste er wieder alles. Ihr Vorname war Ilka. An ihren Nachnamen erinnerte er sich nicht. Es gab jedoch keinen Zweifel daran, dass er ihn gekannt hatte.
    Die zurückliegenden zwei Jahre hatten Spuren in ihrem Gesicht hinterlassen. Es war starr und hager geworden, ließ eine unterschwellige, aber dauerhafte Trauer erkennen.
    Das Haar trug sie jetzt ganz kurz, aber es hatte immer noch die flammendrote Farbe von einst. Ihre nackten Arme, die nackten Beine, die in stabilen Wanderstiefeln steckten, waren braun gebrannt, ebenso ihr Gesicht, das unter der Bräune nach wie vor mit unzähligen Sommersprossen bedeckt war.
    Ilka machte den Eindruck, als wäre sie gerade von einem längeren Urlaub aus dem Süden zurückgekehrt. Wahrscheinlich hatte sie Hunderte von Kilometern zu Fuß zurückgelegt, möglicherweise sogar auf dem Jakobsweg, fügte Julian spöttisch in Gedanken hinzu, denn schließlich gab es seit dem letzten Jahr kein so populäres Reiseziel wie den Jakobsweg – etwas, womit man Julian überhaupt nicht reizen konnte.
    Jetzt musste Ilka an ihm vorbei. Sie wich seinem Blick nicht aus, stattdessen öffneten sich ihre Lippen, die voll und geschwungen, von einer gewissen Sinnlichkeit waren, zu einem zögernden Lächeln.
    Ihre Blicke begegneten einander nur für eine Sekunde. Dann verfinsterte sich Julians Gesicht, es wurde drohend und ablehnend, woraufhin Ilkas Lächeln schlagartig erlosch.
    Julian zwang sich, woanders hinzu sehen. Einen Moment lang überlegte er fast fieberhaft, war er tun sollte, wenn Ilka es sich
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