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Liebesbrand

Liebesbrand

Titel: Liebesbrand
Autoren: Feridun Zaimoglu
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Ambitionen hegte, daß es
     mir in den kommenden zwei Tagen darum ginge, zu genesen und wieder richtig zu atmen, denn dann würde ich ihm, Leber und Bluterguß
     Lebewohl sagen, er mußte mich nicht verwünschen, er mußte mir den Himmel nicht auf meinen Kopf fallen lassen, ich würde ihm,
     falls er darauf bestünde, in die Hand versprechen, von allen Frauen die Finger zu lassen, ich würde ihm sagen, daß ich die
     Liebe geringer schätzte als ein leeres Zündholzheftchen, ich würde meinetwegen sogar die Armeleutepsychologie ins Spiel bringen
     und die These vertreten, daß ich zu den Egoisten gehörte, die einer Frau verfallen, weil ich das Gefühl liebte, das sie in
     mir auslöste, denn es, das Liebesding, machte mich selbstvergessen; ich würde diese oder eine andere gegenteilige These vertreten,
     es ging schließlich darum, komplizierte Menschen zu meiden und Komplikationen zu vermeiden, was wollte ich schon es, das Liebesding,
     an mich heranlassen, viel schöner fände ich es, in meiner Küche zu sitzen und mich zu vergewissern, daß das Geschirrtuch ordentlich
     am Griff der Backofentür hing, eine Orangenhälfte auf den Elektro-Entsafter zu drücken und über den aus der Tülle herausrinnenden
     Saft glücklich zu werden, und falls ich dann im Schlitz eines Münzfernsprechers ein Fünfzigcentstück fand, das sich mit dem
     Fingernagel herausziehen ließ, war ich an jenem Tag ein wirklich glücklicher Mann. Ich würde Messer fragen, ob er je in seinem
     Leben Ingwer an Hühnerschlegel in Alufolie im Ofen gegessen hätte, oder, noch besser, in Knoblauch |31| eingelegte Kolibrizungen, ich würde ihm verraten, daß ich vom erstgenannten Gericht probiert und vom zweitgenannten nur gelesen
     hätte, Messer und ich würden, könnten und mußten eine für beide Seiten gesichtswahrende Lösung finden, das stand außer Frage,
     ich kannte Feuerzeugfunken, aber keinen Liebesbrand im Herzen, ich war im Westen verdorben, ich war ein durch und durch degenerierter
     Mann des Abendlandes, und von der Tradition der orientalischen Frauenanbetung hatte ich keine Ahnung, Messer, würde ich sagen,
     ich bin ein kampfmüder Soldat auf dem Feld nach der Schlacht, ich habe meine Munition verschossen, und das einzige, was ich
     möchte, ist, aus diesem verdammten Krankenhaus einigermaßen heil wieder herauszukommen, also, die Ärztin gehört dir, deine
     Ärztin hat einen wirklich lahmen Witz gemacht, und da sie zu den Menschen gehört, die über ihre eigenen Witze am lautesten
     lachen, hat sie eben gelacht, ich aber blieb ernst, das sollte dir zu denken geben, Liebe und anderer Blödsinn hat damit nicht
     das mindeste zu tun. Und ich würde meine Brandrede mit den Worten beenden, daß er, Messer, und sie, die Ärztin, kein gutes
     Paar abgaben, sie war eine Studierte, eine Kultivierte, eine Lilie der Reinheit, er aber war eine große unrasierte Null, eine
     recht einfältige Kreatur in der Peripherie des Lebens und der Liebe, was könnte sie schon dazu bewegen, Messer in ihre Welt
     einzuladen, er war so blöd, daß er sich das Alphabet ins Gedächtnis rufen mußte, bevor er einen vernünftigen Satz sprach.
     Nein, mein Junge, sie möchte sich ihre Gesellschaft aussuchen können, und du bist ein summendes schwirrendes Spätsommerinsekt.
     Verdammt noch mal.
     
    Die Ärztin war mit ihren Hofgünstlingen weitergezogen, das hielt Messer nicht davon ab, von ganz hinten in meine Richtung
     zu stieren, ich stand auf, zeigte mit |32| dem Finger auf mich, dann auf ihn und endlich auf die Tür, er setzte sich in Bewegung, und ich wartete, bis wir auf gleicher
     Höhe waren, ich ließ ihm den Vortritt, folgte ihm auf den Vorplatz.
    Was ist los? sagte ich.
    Frau Nebel, sagte Messer.
    Wer?
    Die Frau im Bett dir schräg gegenüber, sagte Messer.
    Ja und?
    Bist du an ihr interessiert?
    Kein Interesse, sagte ich.
    Gut, sagte Messer, und die Ärztin?
    Kein Interesse, wiederholte ich.
    Dann ist alles gut, und wir brauchen uns nicht um die Beute zu balgen.
    Wieso Nebel?
    Sie ist schon richtig im Kopf, sagte Messer, aber manchmal wirkt sie benebelt. Ich kenne ihre Geschichte, willst du sie hören?
    Nein.
    Eine gute Einstellung, sagte Messer, worüber hat sich die Frau Chefin denn amüsiert?
    Hab’ ich vergessen, sagte ich und ging an ihm vorbei und wieder zurück in den Krankensaal, die schamhafte Frau Nebel hatte
     ihre Blößen bedeckt, die Ärztin war zu anderen Kranken weitergezogen, Leber blätterte in einer Sportzeitung, und als Messer
    
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