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Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald
Autoren: Eric Malpass
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erstenmal in seinem Leben französischen Champagner und war bitter enttäuscht. Brrr! Schmeckte ja scheußlich. Aber das Glas stehen zu lassen, war natürlich undenkbar. Champagner in seinem Alter, das war ein Ereignis - er hätte ihn auch getrunken, wenn er wie Galle geschmeckt hätte.
    Miss Mackintosh rettete ihn aus diesem Dilemma. Auch sie hatte den Champagner probiert und machte ein Gesicht, als hätte sie Gift getrunken. «Dünn und sauer», murmelte sie und griff entschlossen nach der Zuckerdose. «Nimmst du auch ein bißchen Zucker?» fragte sie Gaylord.
    «Ja, bitte», sagte Gaylord.
    Sie gab ihm zwei gehäufte Teelöffel voll und rührte um. «So ist das Zeug genießbar », sagte sie. Dann blickte sie die lange Tafel hinunter: alle tranken Champagner. «Aye - da wird’s ja allerhand Magendrücken geben nach dem sauren Zeug», erklärte sie befriedigt.
    Gaylord probierte. Ja, jetzt schmeckte er besser. Er war so dankbar, daß er anfing zu plaudern. «Ich finde es schön, daß Julia jetzt tanzen lernen darf.»
    «Wieso?» fragte sie scharf.
    «Ja, sie darf doch auf die Ballettschule.»
    «Versagt das?» Auf Miss Mackintosh übte der französische Champagner offenkundig keine besänftigende Wirkung aus. Sie legte Messer und Gabel nieder und starrte ihren jungen Tischherrn an.
    «Sie hat’s mir erzählt», sagte Gaylord.
    «Na, das wollen wir doch erst mal sehen», sagte Miss Mackintosh grimmig.
     
    Nach dem Essen schlenderten alle beschwingt und fröhlich umher. Edouard Bouverie lächelte zufrieden. Es stimmt, dachte er, wenn ^ sie ein wenig getrunken haben, werden die Engländer direkt menschlich. Er hielt Gaylord fest, der gerade vorbeikam, und fragte: «Na, mein Neffe, hat dir der Champagner auch geschmeckt?»
    «Nicht so sehr», sagte Gaylord offen. Und dann schwang er sich wie so oft auf das Drahtseil zwischen Ehrlichkeit und Rücksichtnahme auf anderer Leute Gefühle und sagte: «Aber mit Zucker war das Zeug genießbar. »
    Onkel Edouard schauderte. Gleichzeitig mußte er sich Mühe geben, um nicht laut loszulachen. Schließlich sagte er liebevoll: «Gaylord, ich bin doch jetzt dein Onkel, darf ich dir mal ganz offen etwas sagen?»
    Gaylord nickte.
    «Leute, die guten Champagner mit Zucker trinken, kommen in eine ganz besondere Hölle», sagte Onkel Edouard ernst.
    Gaylord war tief beeindruckt. Jetzt kam Mummi vorbei und fragte: «Nun, Onkel Edouard, Sie sind ja so ernst - ist was los?»
    «Nein. Ich habe nur Gaylord gerade gesagt, welch schreckliches Geschick die Leute erwartet, die Champagner mit Zucker trinken.»
    Gaylord fand keinerlei Gefallen an der Vorstellung, die Ewigkeit Seite an Seite mit Miss Mackintosh zu verbringen, auch wenn es in einer ganz besonderen Hölle war. Deshalb war er erleichtert, als Mummi lachte und meinte: «Na, hoffentlich stellt er nie etwas Schlimmeres an.»
    Onkel Edouard machte einen Augenblick lang ein Gesicht, als gäbe es seiner Meinung nach gar nichts Schlimmeres auf Erden. Aber die Gelegenheit, mit einer schönen Frau zu plaudern, wollte er sich nicht entgehen lassen. «Liebe May, ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, wie bezaubernd Sie aussehen.»
    «Und ich habe Ihnen noch gar nicht gesagt, wie ich mich freue, daß wir jetzt einen so netten und hochvornehmen Onkel in der Familie haben.»
    «Oh!» Er schnurrte. Und dann zog er sie an sich, und sie küßten einander auf die Wangen. Gaylord verschwand schleunigst. Jetzt lief ihm ein Schauder über den Rücken. Wenn die Küsserei wieder losging, machte er sich lieber unsichtbar.
    Doch da sah er Miss Mackintosh rot wie eine Tomate mit Mr. Mackintosh, ihrem Bruder, zusammenstehen. Er gesellte sich zu ihnen. Nicht daß er lauschte. Er stellte sich nur so hin, daß er das Gespräch mit anhören mußte.
    Miss Mackintosh sagte gerade: «Du willst also die Kleine doch tanzen lassen?»
    «Ja.»
    «Und du hast es nicht für nötig befunden, das deiner Schwester, die dir den Haushalt führt, mitzuteilen?»
    «Noch nicht, nein», erwiderte er kühl.
    «Du hast es also einem englischen Bengel überlassen, es ihr zu erzählen?»
    «Ich hätte es dir schon rechtzeitig mitgeteilt, Elspeth.»
    «Aye. Und was ich dazu gesagt hätte, das weißt du wohl. Nun, du wirst keine weitere Gelegenheit mehr haben, mich zu kränken, Duncan. Ich schnüre mein Bündel.»
    «Ich bin dir dankbar für alles, was du für uns getan hast, Elspeth», sagte er müde. «Aber ich will dich nicht aufhalten.»
    Gaylord hatte genug gehört - er duckte sich
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