Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber Feind

Lieber Feind

Titel: Lieber Feind
Autoren: Jean Webster
Vom Netzwerk:
Delikatessen herzustellen, werden sie fast fähig sein, ihre künftigen Männer in sich verliebt zu erhalten.
    O Du meine Gute! Hier schwätze ich über diese lächerlichen Nichtigkeiten, und dabei habe ich eine wirkliche Nachricht im Hinterhalt. Wir haben eine neue Hilfe, ein Juwel von einem Arbeiter. Erinnerst Du Dich an Betsy Kindred, College-Jahrgang 1910? Sie leitete den Zupfgeigen-Klub und war Präsident des Theaterausschusses. Ich erinnere mich genau an sie. Sie hatte immer so wunderschöne Kleider.
    Also, bitte, sie wohnt nur 12 Meilen von hier entfernt. Zufällig begegnete ich ihr, als sie gestern durchs Dorf fuhr, — das heißt: sie hätte mich beinahe überfahren!
    Ich hatte nie mit ihr gesprochen. Aber wir begrüßten einander wie die ältesten Freunde. Es lohnt sich, auffallendes Haar zu haben. Sie erkannte mich sofort. Ich sprang aufs Trittbrett ihres Wagens und sagte:
    ,,Betsy Kindred, 1910, Sie müssen mit mir in mein Waisenhaus kommen und mir helfen, meine Waisen zu katalogisieren.“ Sie war so erstaunt, daß sie mitkam. Sie wird 4—5 Tage die Woche als zeitweilige Sekretärin hier arbeiten, und irgendwie muß ich fertigbringen, sie ständig hier zu behalten. Sie ist die nützlichste Person, die ich je gesehen habe. Ich hoffe, Waisen werden ihr so zur Gewohnheit, daß sie nicht mehr ohne sie leben kann. Ich glaube, sie würde vielleicht bleiben, wenn wir ihr genügend Gehalt zahlen. Sie ist gern von ihrer Familie unabhängig, genau wie wir alle in diesen degenerierten Zeiten.
    In meinem wachsenden Eifer, die Menschen zu katalogisieren, hätte ich gerne auch den Doktor aufgenommen. Wenn Jervis irgendwelchen Klatsch über ihn weiß, schreibe ihn mir, je schlimmer desto besser. Gestern kam er, um einen Spreißel aus Sammy Speir’s Daumen zu ziehen, dann kam er in meinen Salon, um Instruktionen über das Verbinden von Daumen zu erteilen. Die Pflichten einer Vorsteherin sind vielfältig.
    Es war gerade Zeit für den Tee, deshalb forderte ich ihn beiläufig auf, zu bleiben. Und er blieb! Nicht um meine Gesellschaft zu genießen — beileibe nicht —, sondern weil Jane in dem Augenblick mit einer Platte heißer Krapfen hereinkam. Offenbar hatte er nicht zu Mittag gegessen, und bis zum Abendbrot war es noch lang. Zwischen den Krapfen (er aß die ganze Platte voll auf) hielt er es für angebracht, mich über meine Vorbildung für diese Stellung auszufragen. Ob ich im College Biologie studiert habe? Wie weit ich es in Chemie gebracht habe? Was ich über Soziologie wisse? Ob ich die Muster-Anstalt in Hastings besucht habe?
    Auf das alles antwortete ich freundlich und offen. Dann erlaubte ich mir eine oder zwei Fragen: welche Art von Jugend-Erziehung hatte wohl solch ein Muster an Logik, Präzision, Würde und gesundem Menschenverstand, wie ich es vor mir sitzen hatte, hervorgebracht? Durch unentwegtes Stochern holte ich einige traurige Tatsachen hervor, die aber alle ganz respektabel sind. Aus seiner Zurückhaltung möchte man schließen, daß einer aus der Familie am Galgen geendet hat. Der Vater MacRae wurde in Schottland geboren und kam nach Amerika, um einen Lehrstuhl an der John-Hopkins-Universität zu bekleiden; der Sohn Robin wurde zur Erziehung nach Auld Reekie zurückverschifft. Seine Großmutter war eine M’Lachlan von Strathlachan (das klingt doch sicher respektabel), und die Ferien verbrachte er bei der Jagd auf Rehe im Hochland.
    Soviel brachte ich heraus, aber sonst noch nichts. Erzähle mir, ich bitte Dich, etwas Klatsch über meinen Feind, wenn möglich etwas Skandalöses.
    Wenn er wirklich eine so ungeheuer tüchtige Person ist, warum begräbt er sich an einem so abgelegenen Ort? Man dächte, daß eine künftige wissenschaftliche Kanone sich an einem Ellenbogen ein Krankenhaus, am anderen eine Leichenhalle wünscht. Seid Ihr sicher, daß er kein Verbrechen begangen hat und sich nun vor dem Gesetz versteckt hält?
    Mir scheint, ich habe einen Haufen Papier beschrieben, ohne viel mitgeteilt zu haben. Vive la bagatelle!
    Wie immer Deine
    Sallie.

    PS. Etwas hat mich allerdings beruhigt. Dr. MacRae sucht seine Anzüge nicht selber aus. Er überläßt alle derartig unwichtigen Kleinigkeiten seiner Haushälterin, Mrs. Maggie McGurk.
    Nochmals und unwiderruflich, Adieu!

John-Grier-Heim,
    Mittwoch.
    Lieber Gordon!
    Deine Rosen und Dein Brief haben mich einen ganzen Vormittag lang aufgeheitert, und das ist das erstemal, seit ich am 14. Februar in Worcester Abschied nahm, daß ich beinahe gut
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher