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L(i)ebenswert (German Edition)

L(i)ebenswert (German Edition)

Titel: L(i)ebenswert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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Vergewaltiger und was man ihnen sonst noch nachsagte.
    Endlich stand er vor seinem Vater. Auch bei ihm hatte die Realität nichts mit Ninoshs Albträumen zu tun. Dort saß kein fetter, versoffener Rohling, kein Monster, keine blutgierige Bestie. König Mannik war ein hochgewachsener Mann, erstaunlich rüstig für sein hohes Alter von etwa fünfundsiebzig Jahren, schlank, mit intelligentem Blick und eben jenen markanten Gesichtszügen, die er seinen Söhnen vererbt hatte. Er musterte Ninosh schweigend, für lange Zeit – schimmerte da etwa eine Träne in seinen Augenwinkeln? Sein Vater war würdevoll ergraut, und er trug als einziger in dieser Runde einen Bart. Es ließ ihn noch imposanter erscheinen, als er bereits war, obwohl er sich eher schlicht kleidete.
    „Verzeih, dass ich nicht aufstehe, um dich zu begrüßen“, sprach er schließlich. „Du hast sicher gehört, dass König Mannik sich seinem Volk nicht mehr zeigt und nur selten Besucher zu ihm kommen lässt? Es gab ein Attentat auf mich, vor ungefähr vier Jahren. Ich habe es überlebt, aber seither sind meine Beine gelähmt.“
    Das Schweigen, das darauf folgte, war erdrückend. Gerettet wurde Ninosh von einem anderen seiner Brüder, der sich als Vanlad vorstellte und ihm vom Alter her am nächsten zu stehen schien.
    „Ich zeig dir, wo du dich waschen kannst und lasse dir anständige Kleidung bringen“, sagte er freundlich und zog ihn vom Tisch fort. Vanlad war stämmig gebaut und kleiner als alle anderen, Ninosh eingeschlossen.
    „Du hast noch kein Wort gesprochen, ich hoffe, du wurdest nicht stumm geboren?“ Vanlad zwinkerte ihm zu, um den Spott zu entschärfen, dennoch fuhr Ninosh erschrocken zusammen. All das hier musste ein böser Traum zu sein, der seinen Schrecken dadurch gewann, dass die Bedrohung nicht erkennbar war.
    „Du wurdest in der Gewissheit erzogen, dass in diesem Palast mordgierige Bestien leben, nehme ich an?“, fragte Vanlad nun ernster. Ninosh nickte ihm scheu zu, unsicher, ob er nicht besser verneinen sollte. Plötzlich brach die Frage aus ihm heraus, die ihn ein Jahrzehnt lang gequält hatte:
    „Was ist mit meiner Mutter geschehen?“
    „Sie ist tot.“ Vanlad hob die Hand, vielleicht, um sie ihm mitfühlend auf die Schulter zu legen, doch mit einem Blick in Ninoshs Augen ließ er sie wieder sinken. „Sie hat Selbstmord begangen, soweit ich weit, ich war damals nicht hier.“
    Er schwieg, bis Ninosh sich hastig gewaschen und umgekleidet hatte. Für eine Rasur des ungepflegten Stoppelbartes blieb keine Zeit, aber den ersten Eindruck hatte er bereits hinterlassen, von daher war es gleichgültig. Ninosh zögerte, ob er seinen einzigen Besitz mitnehmen sollte, steckte das Beutelchen, geschaffen aus einem Stoffstreifen seines Hemdes, dann allerdings heimlich ein.
    Zurück bei den Menschen, die er nicht als Familie betrachten wollte, setzte Ninosh sich auf dem Stuhl nieder, den man ihm zuwies. Er aß, ohne zu schmecken was es war, hörte zu, als Mannik und die anderen ihm vom Kriegsgeschehen und ihren Erfolgen erzählten, antwortete einsilbig auf die Fragen, wie er sein bisheriges Leben zugebracht hatte. Falls sie ihn belächelten oder verachteten, weil er mehr ein Fischer oder Viehhirte als ein Prinz war, ließen sie es ihn zumindest nicht spüren.
    „Warum wolltet Ihr mich an Eurer Seite haben?“, wagte Ninosh irgendwann zu fragen. Es war dieser Befehle gewesen, der sein Leben zerstört und seine Mutter umgebracht hatte …
    „Ich wollte dich lediglich beschützen, Ninosh. Wie die meisten Menschen weißt du vermutlich wenig über die Gründe für diesen Krieg?“
    Auf sein Kopfschütteln hin forderte sein Vater Vanlad mit einer Geste auf, für ihn weiterzusprechen.
    „Vor mehr als zehn Jahren hat einer unserer Halbbrüder – Arkat, der Älteste von denjenigen, die Vater nicht offiziell als Söhne anerkannt hat – einen Teil des Adels gegen uns aufgehetzt. Arkat wurde recht schnell gefasst und wegen Hochverrats hingerichtet, zusammen mit jenen, die an dem Putschversuch beteiligt gewesen waren. Aus Gründen, die jetzt recht kompliziert zu erklären wären, hat dies zum Krieg gegen Nadisland geführt. Da geht es um Abkommen, Bündnisse, Verträge …“
    „Einige Barone sind damals nach Nadisland und in die Nachbarstaaten geflohen und versuchen seitdem, unseren Vater zu stürzen“, fuhr Caval dazwischen. „Es werden unentwegt Lügengeschichten darüber verbreitet, wie grausam der König und seine Söhne sind, welch eine

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