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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord
Autoren: Daniel Imran
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öffnete plötzlich seine Augen. „Unsere Familien?“
    Ambrosiani schaute verwirrt durch die Gegend. Matthias richtete sich auf. „Hochwürden, ich habe das Gefühl, Ihr wisst etwas, was Ihr uns verschweigen wollt!“
    Der Bischof hielt sein Haupt gesenkt.
    „ Ich bitte Euch, sagt es mir! Wir werden vermutlich alle sowieso bald sterben. Ich möchte es unbedingt erfahren.“
    Schließlich gab der Italiener nach. „Bevor ich von Badibe abgereist bin, hatte sich eine große Tragödie in dem Dorf ereignet.“
    Nun richtete sich auch Madschid auf. „Was ist geschehen?“
    „ Der Bürgermeister ist ausgerastet. Er schlug wild um sich und hat Euren Vater getötet. Darauf brach Chaos aus. Es war so schrecklich!“
    Madschid erschrak. „Das kann nicht sein! Das ist unglaublich.“
    „Weswegen ist der Bürgermeister so ausgerastet?“, fragte Matthias.
    „ Ich weiß es nicht. Ich glaube, es muss irgendetwas mit dem Tod seines Sohnes zu tun gehabt haben.“
    „ Sein Sohn ist tot?“
    „ Ja, er wurde in einer Höhle tot aufgefunden.“
    Der Bischof wusste, wer der Totschläger des kleinen Johannes war, doch hielt er es für richtig, dies Matthias und Madschid nicht zu erzählen.
    „Leben unsere Brüder Siwar und Isa noch?“, fragte Madschid.
    Der Bischof schaute immer noch deprimiert auf den Boden. Er schüttelte schweigend den Kopf.
    „Und unsere Mutter?“
    Ambrosiani bewegte sein Haupt nicht.
    Madschid weinte. Er wischte sich die Tränen vom Gesicht. Matthias schaute leblos aus. Nach einer Weile fragte er den Bischof: „Was ist mit unserer kleinen Schwester Rahel?“
    „ Sie lebt noch. Sie ist bei euren Schwestern.“
    Bis jetzt hatte Matthias seine Beziehung zu Daniela vor Madschid verheimlicht. Er konnte seine Reaktion darauf nicht einschätzen und er wollte seine Seele nicht mit solch einer Geschichte belasten. Nun aber, da die letzte Entscheidung bevorstand, wie der Agha ihnen eben mitgeteilt hatte, dachte er darüber nach, ob er es seinem Bruder doch noch erzählen sollte.
    Er tat es doch nicht.
    Dann schaute er wieder neugierig den Italiener an. „Was ist mit Abuna Isa geschehen?“
    Ambrosiani schaute deprimiert drein. „Der arme Mann ist verrückt geworden. Er sprach nicht mehr richtig und starrte nur noch vor sich hin. Wenn er redete, dann flüsterte er etwas Unverständliches vor sich hin. Nach der großen Tragödie wurde er krank. Im Sterbebett sagte er plötzlich laut, ,Cäsar, oh mein Gott, nein, Cäsar, ich habe dich getötet.' Ich war zugegen, als er diese Worte sprach. Pater Petrus ist jetzt der Pfarrer des Dorfes.“
    Jetzt wusste er, wer seinen Hund umgebracht hatte. Es erschreckte ihn. Er fragte sich, warum der gutmütige Priester dies getan hatte. Offenbar war er schon länger geistig verwirrt gewesen, dachte Matthias. Oder hatte er etwa geglaubt, der Hund würde ihm eines Tages etwas antun und wollte ihn somit beschützen? Zumindest war sein Freund Pater Petrus noch am Leben. Das erfreute ihn. Er legte sich wieder hin.
    Seine Eltern waren tot. Nach dem Ende der Bedrohung durch die Moslems wollte er zu Daniela zurück und mit ihr an einem anderen Ort, nicht in Badibe, ein neues Leben beginnen.
    Ambrosiani dachte nach, ob er den beiden Brüdern von Barsaumos Mord an Aische erzählen sollte. Doch der Italiener wollte die beiden jungen Männer mit dieser Geschichte nicht belasten und entschied sich, es doch nicht zu tun. Er hatte Barsaumo innerhalb der Mauern des Klosters gesehen. Bischof Philoxenos hatte den Namen des tapferen Kriegers erwähnt. Barsaumo war zu wichtig für die Verteidigung des Klosters, deswegen behielt der Italiener das Geheimnis für sich, um nicht die Verteidiger gegeneinander aufzubringen. Und Barsaumo selbst dachte, Scham'en habe sein Geheimnis in Badibe nicht weitergegeben. Er verließ sich auf Abuna Isa. Doch fragte er sich, ob Scham'en es vielleicht doch getan hatte. Er mied den Kontakt zum Bischof, fragte ihn nicht, was sich in Badibe nach seiner Abreise ereignet hatte. Zum einen dachte er, der Bischof habe ihn nicht erkannt, so wollte er seine Identität und somit sein Leben wahren. Und zum anderen hatte er schon mit seiner Vergangenheit abgeschlossen und wollte nicht noch einmal zu ihr zurückgezogen werden.
     
    Fathallah überreichte Philoxenos das Schreiben mit dem Siegel des Sultans darauf. Er lächelte. Isa, Skandar und alle anderen Aramäer um ihn herum freuten sich auch.
    Philoxenos las das Schreiben. Er schaute skeptisch aus. „Es könnte eine
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