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Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2
Autoren: Michelle Zink
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Schmutzes und Moders in dem Loch, schiebe ich meine Hand hinein und suche tastend nach dem Boden.
    Die Höhlung ist viel tiefer, als ich dachte. Mein Arm versinkt fast bis zur Schulter darin, ehe ich den Boden erreiche, aber als ich ihn ertaste, spüre ich sogleich etwas Weicheres und Wärmeres als den Stein, aus dem hier alles besteht. Ich greife dieses Etwas und ziehe meinen Arm heraus, bringe ein kleines viereckiges Päckchen aus Leder ans Licht.
    Zunächst lege ich den Stein wieder an seinen angestammten Platz und tue mein Möglichstes, um alles so zu hinterlassen, wie ich es vorgefunden habe. Dann stelle ich mich vor den Altar und betrachte das lederne Päckchen, das unter der Erde auf mich gewartet hat.
    Der Atem stockt mir, als ich das Leder ausbreite und mein Blick auf hauchdünnes, knisternd trockenes Papier fällt. Ich nehme es behutsam zur Hand und falte es auseinander. Es fühlt sich so alt an wie die Zeit selbst. Es ist von Falten durchzogen, und ich glätte es vorsichtig, wobei ich bereits die Worte betrachte, die darauf geschrieben stehen.
    Da sehe ich, dass es nicht nur ein Blatt Papier ist, sondern zwei.
    In jeder Hand halte ich ein Blatt, betrachte erst das eine und dann das andere in dem spärlichen Licht der Grotte. Und dann verstehe ich.
    Das eine Blatt Papier ist ein gleichmäßiges Rechteck, mit glatten Rändern und lateinischer Schrift. Ich erkenne das Format des Librum Maleficii et Disordinae – des Buchs des Chaos, das vor fast einem Jahr in der Bibliothek meines Vaters in Birchwood Manor gefunden wurde. Latein war noch nie meine Stärke. Nur durch James’ Übersetzung konnte ich den ersten Teil der Prophezeiung überhaupt lesen.
    Das ist auch der Grund, warum ich erleichtert den angehaltenen Atem ausstoße, als ich die zweite Seite betrachte. Dieses Blatt Papier wurde aus einem anderen Buch herausgerissen, und zwar nachlässiger als die Seite aus dem Buch des Chaos. Es ist eher ein kleiner Zettel. Ein Zettel, auf dem ebenfalls die Worte der Prophezeiung stehen, allerdings hastig niedergeschrieben und in unordentlichen Lettern.
    Aber das Bedeutsame an diesem Blatt Papier ist, dass diese hingekritzelten Worte in meiner Sprache geschrieben sind, dass jemand das Lateinische vor langer Zeit übersetzt hat, als ob er oder sie wusste, dass diejenige, die später in der Krypta von Chartes stehen würde, die Worte der Prophezeiung unbedingt so schnell wie möglich würde lesen müssen.
    Ich seufze auf vor Erleichterung und lege das Blatt mit der Übersetzung über die Seite aus dem Buch. Dann beuge ich den Kopf.
    Und fange an zu lesen.
    Aber aus Chaos und Wahnsinn wird sich Eine erheben,
    Wird den uralten Zirkel führen und den Stein befreien,
    verborgen in der Heiligkeit der Schwesternschaft,
    sicher verwahrt vor den Augen des Untiers.
    Eine wird kommen und erlösen,
    wen die Prophezeiung bindet
    seit Anbeginn der Zeiten, bis zum drohenden Verhängnis.
    Der Heilige Stein, befreit aus dem Tempel
    Sliabh na Cailli’,
    Portal zu den Anderswelten.
    Schwestern des Chaos,
    kehrt zurück in den Bauch der Schlange,
    am Ende von Nos Galon-Mai.
    Dort, im Kreis des Feuers,
    erleuchtet von dem Stein,
    versammelt vier Schlüssel, mit dem Zeichen des Drachen,
    Engel des Chaos, Mal und Medaillon.
    Samael, das Untier, werde gebannt,
    einzig durch die Schwesternschaft, am Tor des Wächters,
    mit dem Ritus der Gefallenen.
    Öffnet Eure Arme, Herrin des Chaos
    Und bringt der Welt die Ewige Verwüstung
    Oder schließt sie und
    Verbannt seine Gier immerdar.
    Am Ende der Seite angelangt, wird mir klar, dass dies alles ist. Die fehlenden Seiten der Prophezeiung, die wir gesucht haben, gibt es nicht. Es gibt nur eine einzige Seite. Aber obwohl ich unmöglich die Bedeutung der Worte hier und jetzt entschlüsseln kann, bin ich mir sicher, dass dies alles ist, was ich brauche.
    Ich darf die Seite nicht mitnehmen. Nicht wenn die Seelen möglicherweise vor der Krypta auf mich warten. Und so lese ich. Ich lese, bis ich mir sicher bin, dass ich den Text auswendig kann. Bis ich ihn aufsagen kann, und läge ich auch auf dem Sterbebett – hoffentlich in einer sehr fernen Zukunft.
    Und dann halte ich die beiden Blätter in die Flamme einer Fackel und schaue zu, wie sie verbrennen.

33
    Bonsoir. Puis-je vous aider à trouver quelque chose?«, fragt der Priester.
    Guten Abend. Kann ich Ihnen helfen? Suchen Sie etwas?
    Ich bin wieder in dem oberirdischen Raum, der in die Krypta führt, kam gerade die Treppe hoch, aber erst als ich
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