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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna
Autoren: Jérômel Savary
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je umarmt zu haben.
    Dabei war der Mann schön, von einer klassischen, glatten Schönheit, ohne Makel, ohne Charme.
    Wohl erging er sich hier und da in Verführungsversuchen, abends, wenn er sie nach dem Kino oder dem Theater nach Hause begleitete. In einem dunklen Hauseingang in Belleville, wenige Schritte von ihrer Wohnung, küsste er sie stürmisch, streichelte ihre Brüste und ihre Schenkel, spielte den Draufgänger, indem er plötzlich seinen Schwanz hervorholte. Sie ließ es zu, streichelte ihn einen Moment lang zerstreut, ließ ihn dann stehen und lief über den Boulevard davon. Er insistierte nicht. Es war zu einem Spiel geworden.
     
    ––– ¤ –––
    »Du gehst mir auf den Sack, mein Junge, du bist dreißig Jahre alt und kommst mich immer noch anpumpen wie ein Schuljunge! Ich weiß, dass Cocooning gerade im Trend Hegt, aber man muss ja nicht gleich übertreiben! Zu meiner Zeit ist man mit fünfzehn abgehauen und hat sich allein durchgeschlagen.
    Heute wollen die Kinder mit Mama und Papa Kakao trinken und Cornflakes essen, bis sie fünfzig sind. Ich weiß, bei der erschreckenden Lebenserwartung heutzutage, wo man hundertzehn Jahre alt werden kann, kann man bis vierzig Teenager bleiben, dank Viagra mit sechzig heiraten und mit achtzig in Rente gehen! Ich bin fast sechzig, krieg immer noch einen hoch, arbeite immer noch und bitte niemanden um etwas! Deine Mutter schnorrt mich schon jeden Monat um siebentausend Kröten an, weil ihre Hippiekommune seit Tschernobyl kein einziges Kräutlein der Provence mehr verkauft! Von deiner Schwester brauchen wir gar nicht erst zu reden, sie kostet mich pro Jahr fünf Mille, ganz zu schweigen von den Kosten für die Klinik und den Psychoanalytiker nach jedem vermasselten Selbstmordversuch, da kannst du dir ja ausrechnen, was für mich am Monatsende übrig bleibt! Und ich muss mich für mein Geld ganz schön abrackern! Mir gibt der Staat keine Kohle, ich krieg keine Stütze, nichts von der Börse oder der Fürsorge. Mein Geld, das ist die Eintrittskarte eines Zuschauers, plus die Eintrittskarte eines Zuschauers, der sehen will, wie der miserable Schauspieler sich in Stücken lächerlich macht, die nicht mal die Bezeichnung Boulevardtheater verdienen.«
    Der Alte war stinksauer und vergaß darüber, sein Rumpsteak zu essen. Und die Tatsache, dass er allein war an diesem Abend, ohne jemanden, der ihn Bärchen nannte, verdross ihn noch mehr. Der Alte hasste es, allein zu sein.
    »Papa, ich bitte dich doch nicht darum, mir Geld zu schenken, sondern nur, es mir zu leihen«, protestierte Jo, dem bei dem Gerede seines Vaters zusehends unwohl wurde. »Ich muss Anne ihr Geld zurückzahlen, das verstehst du doch. Es kann nicht sein, dass sie dreißig Jahre lang wie eine Blöde schuften muss, um meine Schulden zu zahlen. Ich fange morgen wieder bei der A.O.M.-Fluggesellschaft an. Sie haben mir sogar eine Stelle als Koordinierungsleiter in Havanna angeboten. Und in Kuba gibt es gibt keine Pferderennen, es ist ein sozialistisches Land. Ich würde also gar nicht erst in Versuchung geraten, zu spielen, und in drei Jahren zahle ich dir dein Geld zurück.«
    Mit einem Lächeln unterbrach der Alte ihn: »Ah, Kuba? Mein Traum. Der Jurassic Park des Sozialismus! Castro! Das ist mal einer, der wirklich Mumm in den Knochen hat! Der gesamte Ostblock bricht zusammen, und er macht einfach weiter, unbeirrt, seit vierzig Jahren!«
    »Warum kommst du nicht mit mir, Papa, die Frauen da drüben sollen phantastisch sein!«
    »Ich, nach Kuba? Niemals! Als Tourist? Niemals! Weißt du, mein Junge, Kuba, El Che, Bildung für alle, die große Internationale der großzügigen Utopie, davon haben wir ‘68 geträumt. Ich war sogar drauf und dran, mit deiner Mutter für eine Kolchose Zuckerrohr zu ernten, da glaubst du doch wohl nicht ernsthaft, dass ich mit einer Chartermaschine nach Varadero fliege, um ein paar fünfzehnjährige Schwarze abzuschleppen, die für eine Schale Reis auf den Strich gehen?«
    »In Paris schleppst du doch auch Lolitas ab.«
    »Das ist nicht dasselbe, das sind dumme Hühner, Töchter aus gutem Hause, die noch mal einen draufmachen wollen, ehe sie einen Banker heiraten! Anderswo leiden die Menschen Hunger, und was machen sie? Verplempern ihre Zeit auch noch mit Hungerkuren! He, Georges! Bring mir noch mal eine Flasche Saumur mit Eis! Soll ich dir was sagen, Georges? Die jungen Leute gehen mir auf den Sack, mein Sohn eingeschlossen!«
    Georges hatte den Saumur gebracht, dann den
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