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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna
Autoren: Jérômel Savary
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Pferderennen, mit dem Professor!«
    »Hast du gewonnen?«
    »Fast. Das nächste Mal. Mit seiner Methode kann nichts schiefgehen.«
    »Wenn nichts schiefgehen könnte, wären alle Milliardäre.«
    »Stimmt, aber die Leute sind bescheuert, sie überlassen es lieber dem Zufall, statt auf die Wissenschaft zu vertrauen.«
    »Und die Liebe, Jo? Was meinst du, ist das Zufall oder Wissenschaft?«
    Jo, der diese Frage als Aufforderung verstanden hatte, hatte Annes feuchten Körper umschlungen, seine Hände über ihre Hüften gleiten lassen und den Ringfinger zwischen die runden Pobacken seiner Frau geschoben.
    »Das kommt drauf an, Liebling, die Wissenschaft hat schon irgendwie Anteil daran: die Säuren, die Sekrete, das Zittern, die Muskeln, all das ist Chemie. Aber natürlich sind es Kopf und Herz, die die Befehle erteilen.«
    Sie wand sich erneut aus seiner Umarmung. »Lass mich, Jo, mir steht momentan nicht der Kopf danach«, und mit einem kleinen Lächeln fügte sie hinzu: »Und auch nicht die Möse.«
    Mit einem Schlag traurig, wie ein Kind, das gerade bestraft worden ist, hatte er leise gefragt: »Und wonach steht dir das Herz? Nach wem?«
    Ihre großen dunklen Augen hatten tief in die seinen geblickt. Jo sah nie jemandem in die Augen. Zumindest nicht lange. Sie schon. Sie war sehr stark, sehr offen.
    »Das Herz, Jo? Ich weiß es nicht. Noch nicht.«
    »Wo warst du heute Abend? Warst du wieder mit deinen Lehrern unterwegs? Mit deinem Philosophen mit der rebellischen Strähne?«
    »Ja, Jo. Ich weiß, dass du ihn nicht magst. Ich mag ihn sehr, aber keine Sorge, nicht so, wie du denkst. Ich hab dich nicht betrogen, Jo! Noch nicht, aber genau darüber wollte ich mit dir reden. Ich glaube, dass ich es eines Tages tun könnte. Und wenn es so weit ist, dann … dann ist es aus zwischen uns.«
    »Nett von dir, mich vorzuwarnen.«
    »Das ist keine Drohung, Jo. Ich finde es sogar traurig. Du hast mich immer für eine kleine Beamtin gehalten, eine angepasste Langweilerin, die brav ihren Job macht. Du gibst mir so oft das Gefühl, dass ich dich störe, wie ein Stuhl am falschen Platz, an dem man sich stößt. An manchen Tagen weiß ich gar nicht, wohin mit mir, aber ich bin doch deine Frau. Kein Wunder, dass ich von einem anderen Leben träume.«
    Sie lief nackt vor dem Fenster auf und ab und Jo sagte sich, dass Anne in der Tat alles andere war als eine kleine Beamtin. Sie war stark, und mehr als das. Von ihr ging ein gewisser Wahnsinn aus.
    Ohne sich um den Chinesen gegenüber zu scheren, der sie offenkundig beobachtete, fuhr sie fort: »Du weißt ja, Jo, ich glaube, dass es gegen unsere Natur ist, als Paar zu leben. Tauben, Murmeltiere und bestimmte Bären sind glücklich mit ihrem Partner und bleiben ihm ihr Leben lang treu. Aber wir Menschen sind anders! Seit Urzeiten versuchen wir, uns einzureden, dass wir dazu in der Lage sind, mit dem Segen der Prediger, aber es funktioniert nicht! Der Mensch ist dazu geschaffen, allein zu leben, wie der Hund oder der Wolf umherzuirren und seine Mutter und seine Schwester zu vögeln.«
    »Du redest Unsinn, Anne.«
    »Tut mir leid, Jo, ich bin kein Genie, sondern nur eine kleine Englischlehrerin. Aber ich habe auch Träume, etwas, was mich treibt, ein Ideal.«
    »Gut, in Ordnung, Liebling«, hatte Jo traurig gesagt. »Wir sollten das jetzt nicht vertiefen, ich lasse dich in Ruhe und gehe ein bisschen spazieren.«
    Immer noch nackt, hatte sie ihm im Treppenhaus von oben hinterhergerufen: »Jo?«
    »Ja? Was?«
    »Du bist ein kleiner Junge!«
     

 
     
     
    3
     
    D AS GROSSE R EX
     
     
     
    Er war in ein Taxi gesprungen, um seinen Vater am Ausgang des Théâtre des Mathurins abzuholen.
    Der Alte saß bereits an einem Tisch des Restaurants an der Ecke, in Begleitung einer drallen Blondine, die unaufhörlich lachte, als wäre die Vorstellung noch nicht zu Ende. Sie zwickte ihn in Bauch und Schenkel, gab ihm einen sanften Klaps auf die Nase und ließ sich mit einem schallenden Lachen auf seinen Schoß fallen.
    »Mein Junge! Es ist gar nicht so leicht, mit einem solchen Ausbund an Temperament sein Rumpsteak zu futtern! Aber was danach kommt, das ist das große Rex!«
    »Das ist das große Rex« war der Lieblingsausdruck des Alten und bedeutete so viel wie »absoluter Höhepunkt«, vielleicht wegen der Springbrunnen, die in den Pausen in diesem sagenumwobenen Kino, in das seine Mutter ihn als kleinen Jungen mitgenommen hatte, emporsprudelten.
    »Du hast mich zum Lachen gebracht, mein
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