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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna
Autoren: Jérômel Savary
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Brie, dann die Île Flottante, dann die drei Cognacs, und da der Alte allein war, und betrunken dazu, war er mit Jo ins New Morning gegangen, um ein bisschen Jazz zu hören.
    Jo und den Alten verband eine leidenschaftliche Liebe zum Jazz. Der Alte hatte in seiner Jugend ein paar Jahre in New York verbracht und kannte sich hervorragend aus mit dem Bebop der Sechziger. Wie sie also so fachsimpelten: »Und Mingus, ist Mingus nicht klasse?« oder »Und Monk, ist der nicht ein Genie?«, war der Alte weicher geworden.
    »Ich hab dich sehr lieb, Jo, das weißt du doch, du bist wirklich mein Sohn! Du wirst immer mein Baby bleiben, wie damals, als ich dich mit einer Hand hochheben konnte, mit deinem kleinen Popo in meiner Hand.«
    Jo fing an zu weinen. Mit über dreißig weinte Jo immer noch wie ein Kind. Ohne Rückhalt, vor allem bei seinem Vater.
    »Ich habe einen alten Bausparvertrag, den ich mal für den Fall abgeschlossen hatte, dass mir eines Tages die Frau meines Lebens über den Weg läuft, aber da die durchgeknallte Mutter meiner beiden Kinder sich an mein Herz klammert wie eine Süchtige und ich eines Tages wohl oder übel zu ihr zurückkehren muss, kann ich damit auch deine Schulden bezahlen und dich wieder auf die Bahn bringen! Es würde mich nerven, wenn du nach Kuba gingest!«
    »Warum, Papa?«
    »Was ist mit Anne? … Deine afrikanische Statue, geht sie mit dir nach Kuba?«
    »Natürlich nicht! Sie hat hier ihren Job, außerdem ist es nur für ein oder zwei Jahre. Ich kann alle zwei, drei Monate zurückkommen.«
    »Hör auf, dich wie ein Vollidiot zu verhalten, Jo! Das ist doch keine Beziehung, wenn man sich nur alle zwei, drei Monate sieht!«
    »Wir sind kein Paar mehr, Papa! Ich glaube, sie hat einen anderen in Aussicht.«
    »Ich ruf Anne morgen an, um das alles zu klären. Und du komm morgen Abend im Theater vorbei, dann geb ich dir den Scheck.«
    Arm in Arm, wie Verliebte, schwiegen sie eine Weile und hörten der Musik zu. Dann stieß der Alte einen tiefen Seufzer aus.
    »Verflucht! Nicht ein blödes Flittchen in Sicht und ich hab solchen Bock zu vögeln!«
     
    ––– ¤ –––
     
    Sobald sie sich dem Alten gegenüber hingesetzt hatte, sagte Anne: »Jo ist seit zwei Tagen verschwunden, ich mach mir Sorgen. Sie haben ihn nicht gesehen, oder?«
    Der Alte wischte sich den Mund ab, dann nahm er mit finsterer Miene einen Schluck Saumur.
    »Und ob ich ihn gesehen hab! Ich hab ihm einen Scheck über zweihundert Mille in die Hand gedrückt.«
    »Zweihundert, was?«
    »Zweihunderttausend Francs. Damit er seine Schulden zurückzahlen kann. Mein Bausparvertrag. So ein Idiot!«
    Anne deutete ein schwaches Lächeln an. »Vielleicht ist er ans andere Ende der Welt gefahren. Nett, seiner Frau gegenüber!«
    Der Alte nahm ihre Hand. Er mochte Anne.
    »Aber nein, Dummerchen, das hätte er dir gesagt! Nein, ich glaube, er versucht, wieder zu Kräften zu kommen, auf der Rennbahn oder im Casino. Er wird zurückkommen. In welchem Zustand, das weiß nur Gott allein! Willst du ein kleines Dessert? Iss eine Île Flottante mit mir, dann hätte ich wenigstens einen Vorwand. Georges! Zwei Îles Flottantes, einen Delamain, und du, was trinkst du? Komm, das feiern wir. Ich meine, unseren kleinen Abend zu zweit. Weißt du, ich finde dich jedes Mal schöner! Wie machst du das bloß, dass dein Busen so weit oben ist?«
    Anne lachte. »Das macht er von allein. Willst du mal sehen?«
    Das war das erste Mal, dass Anne den Alte duzte, und sofort wurde er von einem stürmischen Verlangen erfasst.
    »Was ist mein Sohn doch bescheuert! Wenn ich eine Frau wie dich zu Hause hätte, würde Georges mich ganz sicher nicht so oft hier sehen! Was, Georges?«
    Georges kam mit den beiden Îles Flottantes und den Cognacs.
    »He, Georges, die ist hübsch, meine Schwiegertochter, was?«
    »Ach, das ist Ihre Schwiegertochter?«
    »Das will ich wohl meinen! Zumindest momentan! Mmh, die Île Flottante!«
    Der Alte führte sein Dessert, in dem ein kleiner neongrüner Sonnenschirm steckte, zum Mund und trank die Creme Anglaise aus dem Teller. »Ah, Île Flottante! Am liebsten wäre ich Robinson Crusoe, ganz allein und nackt auf einer schwimmenden Insel, inmitten eines Ozeans aus Crème Anglaise.«
    »Allein?«, fragte Anne mit einem Lächeln.
    »O nein! … Nicht allein! Mit einem schönen Mädchen. Einer afrikanischen Statue, wie dir, aber am liebsten wäre mir eine Ausländerin, ein Mädchen, das eine andere Sprache spricht, damit ich mich nicht
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