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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna
Autoren: Jérômel Savary
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ist völlig runtergekommen. Also überlassen sie das den kleinen Gesellschaften, wie der A.O.M. Ich sag’s Ihnen gleich, Jo, der Job ist nicht einfach. Die Kubaner sind Schlitzohren, vor allem die Zollbeamten, und Flugzeuge starten selten mit weniger als zwei Stunden Verspätung. Dann die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit, der baufällige Flughafen, in dem man kocht wie in der Sauna, mit einem Gedränge wie auf dem Markt von Daressalam, das ist wirklich kein Geschenk. Aber es gibt auch schöne Seiten, den Strand zum Beispiel und vor allem die Mädchen. Was die Unterkunft angeht, der reinste Horror, Sie müssen erst mal ins Hotel, zumindest für die ersten Tage. Sie werden einen kleinen Dienstwagen bekommen, was dort unten reinster Luxus ist, und eine Überseezulage. Sie fangen am ersten Juli an. Das ist nicht gerade die beste Jahreszeit. Eine Höllenhitze, um die funfunddreißig Grad, von der Feuchtigkeit ganz zu schweigen. Aber immerhin, angesichts Ihrer Lücken im Spanischen können Sie sich glücklich schätzen.«
     

 
     
     
    6
     
    L ETZTER A BEND IN B ELLEVILLE
     
     
     
    Als Jo aus Orly zurückkam, begegnete er im Treppenhaus in Belleville dem Mann mit der Strähne. Sie gaben einander die Hand.
    »Ist Anne da?«
    »Ich hab sie gerade nach Hause gebracht. Wir haben den letzten Schultag gefeiert, sie hat ganz schön einen sitzen. Sie war etwas beunruhigt, weil Sie nicht da waren.«
    »Das haben Sie gut gemacht. Ach, in Ihrem Beruf sind die Ferien immer ein großes Ereignis. Drei Monate Zeit, um einen neuen Roman zu schreiben. Sie Glücklicher! Also, schöne Ferien, mein Guter!«
    »Ihnen auch, Jo!«
    »Mir? Für mich gibt’s dieses Jahr keine Ferien, ich gehe zum Arbeiten nach Kuba. Na ja, das ist ja beinahe wie Urlaub.«
    »Nach Kuba? Wirklich? Davon hat Anne mir gar nichts erzählt.«
    Jo spürte, dass der Mann gern wissen wollte, ob Anne mit ihm ging, aber nicht zu fragen wagte.
    »Wissen Sie, ich denke, Anne wird hier bleiben, zumindest fürs Erste. Kümmern Sie sich ein bisschen um Sie, sie hat Sie gern.«
    Der Mann mit der Strähne hatte ziemlich dümmlich erwidert: »Ja, ich weiß.« Dann war er, seine Aktentasche unter den Arm geklemmt, gegangen.
    Anne saß im Morgenmantel vor dem Fenster, die nackten Füße auf den Balkon gestellt, neben den Basilikumtopf. Sie hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, das Bett zu machen.
    Jo hatte immer gedacht, er würde es nicht ertragen, wenn seine Frau ihn betrügt. Er hatte sich die Szene viele Male vorgestellt. Ich glaube, ich würde sie schlagen, hatte er gedacht, bis ihr das Blut aus der Nase kommt, aus dem Mund, und dann würde ich einfach gehen, ohne ein Wort.
    In der Tat aber verspürte er nicht die geringste Anwandlung von Gewalttätigkeit. Jo war fast erleichtert. Da, es war passiert! Die Welt drehte sich weiter, und Anne erschien ihm plötzlich weit weg, wie eine Fremde.
    Jo verspürte stets instinktiv das Bedürfnis, alles zu löschen, was ein Problem bereitete, wie die ersten Sätze seiner Romane.
    Nun war es ihm egal, dass er allein fortgehen würde. Er war lediglich ein wenig traurig bei dem Gedanken, dass er nie wieder mit ihr schlafen würde.
    »Und, war’s schön?«, fragte Jo und blickte Anne direkt zwischen die Beine. Anne zog den Morgenmantel zu.
    »Das geht dich nichts an! Und bei dir? Du hättest mir ruhig sagen können, wo du bist!«
    »Ich habe beschlossen, wegzugehen, Anne. Du weißt doch, nach Kuba.«
    »Keine schlechte Idee, ist nur nicht gerade um die Ecke.«
    »Ich werde Koordinationsleiter, das ist eine feste Stelle, dann kann ich dir meine Schulden zurückzahlen.«
    »Ich scheiß drauf! Fang lieber an, deinem Vater sein Geld zurückzuzahlen!« Dann besann sie sich noch einmal und sagte: »Eigentlich wäre es nicht schlecht, wenn du mir mein Geld auch wiedergeben würdest. Es wird nur eine ganze Weile dauern, mein armer Jo.«
    »Kuba ist ein sozialistisches Land, die Leute sollen da nichts zu essen haben und man kommt mit zehn Dollar im Monat aus. Ich werde leben wie sie und mein Gehalt nicht anrühren.«
    Sie lächelte und schaute in seine großen Augen. Jo war eindeutig ein Kind.
    Er redete weiter, während er in seinen Bücherregalen stöberte.
    »Da ich mir mit zehn Dollar nicht viel Abwechslung erlauben kann, werde ich endlich schreiben.«
    »Und was wirst du erzählen, Jo?«
    »Ich weiß nicht, vielleicht meine Geschichte, unsere.«
    »Das wird niemanden interessieren, unsere Geschichte ist banal. Es ist ja schon
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