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Liebe und Tod in Havanna

Liebe und Tod in Havanna

Titel: Liebe und Tod in Havanna
Autoren: Jérômel Savary
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langweile.«
    Anne hob die Augenbrauen. »Eine Ausländerin? Wenn man nicht dieselbe Sprache spricht, kann man sich sehr schnell langweilen.«
    »Überhaupt nicht, ganz im Gegenteil, man lernt die Worte eins nach dem anderen. Man streichelt die Brüste und lernt Brust, man streichelt die Hüften und lernt Hüfte und so weiter. Und sehr bald würde man feststellen, dass es genügt, ungefähr fünfzig Wörter zu kennen, um das glücklichste Leben auf Erden zu fuhren. Zum Schluss würde man das schönste Wort von allen lernen: Liebe.«
    Als er das Wort aussprach, verschüttete der Alte die Hälfte seiner Creme Anglaise über seine Krawatte.
    Anne säuberte sie mit einer Serviette. Er roch nach Alkohol und Schweiß, doch sie empfand es nicht als unangenehm.
    »Jo hat mir erzählt, dass man ihm angeboten hat, auf Kuba zu arbeiten!«
    »Ja, das hat er mir auch erzählt«, entgegnete der Alte und löste seine Krawatte.
    »Glauben Sie, dass er vorhat, mich mitzunehmen?«
    »Würdest du mit ihm gehen?«
    »Wenn er mich fragen würde, vielleicht. Aber ich glaube, er wird alleine fahren. Er liebt mich nicht mehr, er ist überzeugt, dass ich ihn betrüge.«
    »Und, betrügst du ihn?«, fragte der Alte und kniff dabei die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.
    »In gewisser Weise schon, aber ich glaube, dass ich ihn noch liebe. Aber er ist schon weit weg von mir.«
     

 
     
     
    5
     
    T ATIANA
     
     
     
    »Hör auf, Tatiana, das gehört sich nicht, warte, bis wir im Hotel sind!«
    »Ach, lassen Sie sich nicht stören, da hab ich schon ganz andere gesehen!«, rief der Hubschrauberpilot, warf aber dennoch im Rückspiegel einen Blick auf die nackten Brüste von Jos Gefährtin. »Der Flug dauert nicht lange von Nizza nach Monaco, aber fünf Minuten reichen den meisten Leuten schon aus, um sich in andere Sphären zu befördern.« Dann fuhr er ironisch fort: »Madame ist Russin?«
    »Ukrainerin«, erwiderte Jo.
    Der Hubschrauber setzte bereits zur Landung auf dem Hubschrauberlandeplatz von Monaco an. Tatiana brach sich einen ihrer langen blauen Fingernägel ab, als sie den Reißverschluss von Jos Hose wieder hochzog, und lachte so breit, dass all ihre Zähne zu sehen waren. Jo mochte Tatiana, sie war eine fröhliche Nutte.
    Im Hermitage schließlich hatte sie, mit vollendeter Kunstfertigkeit, da weitergemacht, wo sie zuvor unterbrochen worden waren. Dann hatten sie bis zum Abend geschlafen, in dem riesigen Bett, die Fenster weit auf die gegenüberliegende Bucht geöffnet.
    Das Abendessen im Café de Paris war ein Traum gewesen. Ducasse, der natürlich weder Tatiana noch Jo kannte, hatte ihnen wegen ihres ehrlichen Aussehens die Ehre erwiesen, sie in seiner Küche zu empfangen.
    Man muss dazu sagen, dass Tatiana viel Klasse besaß. Unendlich lange Beine, einen runden, festen Po, die zarte Eleganz einer Äthiopierin, Brüste wie eine Madonna – bei ihr fügte sich eines zum anderen wie bei einem Gesamtkunstwerk. Und das alles bewegte sie geschmeidig mit der Erfahrung einer Tänzerin aus dem Crazy Horse.
    Als sie den Platz vor dem Casino überquerten, wies Jo sie darauf hin, dass Monaco die einzige Stadt auf der Welt war, in der nicht eine einzige Zigarettenkippe auf der Erde lag. Aber das kümmerte Tatiana nicht. Sie streichelte einen gelben Ferrari und stöhnte dabei leise.
     
    ––– ¤ –––
     
    Falls sich jemand fragen sollte, wie lange man braucht, um im Casino von Monte Carlo zweihunderttausend Francs zu verlieren, müsste man antworten: Das kommt ganz darauf an.
    In Jos speziellem Fall war es so weit, noch bevor das Casino schloss.
    Wie jedem, der größere Summen verliert, wurden ihm große Ehren zuteil: Die Société des Bains de Mer schenkte ihm großzügig die Übernachtung im Hermitage, Minibar und Frühstück inklusive. Tatiana kam aus dem Lachen nicht mehr heraus. Sie ärgerte sich nicht einmal, dass er auch sie nicht bezahlen konnte: An einem einzigen Abend im Casino hatte sie sich ein Adressbuch zugelegt wie eine Prinzessin.
    Und als er sie am nächsten Morgen wecken wollte, um mit ihr nach Paris zurückzukehren, öffnete sie nur kurz ein Auge und beschloss, dass sie sich alles in allem in Monte Carlo sehr wohl fühlte und bleiben würde.
    Darauf streckte sie Jo ihren runden weißen Po entgegen, um ihn an all die Freuden zu erinnern, die er zurückließ, und mit einem letzten Lachen schlief sie wieder ein.
     
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    »Die Air France hat keine Lust auf Kuba, der Flughafen von Havanna
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