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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel
Autoren: Emma Sternberg
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befassen wollte. Also fuhr ich in meine Wohnung, um mich frisch zu machen und endlich die Klamotten zu wechseln und überhaupt einmal die Lage zu kontrollieren – großer Fehler.
    Ich sperrte die Tür auf und trat ein in mein altes Leben: im Flur Schuhe, deren Existenz ich völlig vergessen hatte. Die verstaubte Stereoanlage mit CD s, an die ich mich kaum erinnern konnte. Billy-Regale mit Hunderten von Büchern – das alles sollte ich mal gelesen haben? Es kam mir vor, als sei ich mir völlig fremd geworden, als hätte das, was ich früher einmal war, nichts mehr mit dem zu tun, was ich jetzt bin. Und das nach so kurzer Zeit! Ich versuchte, das Gefühl abzuschütteln und ging in die Küche, wo ich automatisch einen Blick in den leeren Kühlschrank warf. In einem Schrank fand ich eine Tüte Chips, riss sie auf und fing an zu essen, doch der Appetit verging mir wieder, als ich ins Schlafzimmer weiterging, wo ich das abgezogene Bett sah.
    Mit einem Schlag war alles, was ich im Triumph meines Rachefeldzugs völlig verdrängt hatte, wieder da. Das Kopfkino sprang an, und ich sah die beiden deutlich vor mir – das ganze Leben, das sie führten. Nick und die Tussi im Urlaub, unter Palmen, am Sandstrand. Nick und die Tussi in der Bar, mit Cappuccino und Buttercroissant. Nick und die Tussi im Bett, Nick und ihre langen Beine, Nick und die Tussi, die im Bett Schuhe trägt, in denen ich es nicht einmal bis zum Kühlschrank schaffen würde.
    Nick und die Tussi, wie sie zusammen wilde Sachen kochen und tollen Wein trinken und lachen.
    Nick und die Tussi, wie sie sich küssen, nur um mich zu verletzen. Nick und die Tussi, die schallend lachen, weil sie wissen, dass es ihnen gelingt.
    Ich ließ mir ein Bad ein, mit einer extragroßen Portion Schaum. In der Küche fand ich eine Flasche Rotwein und kippte mir die Hälfte davon in mein Riesenrotweinglas. Ich zog mich aus und steckte einen Fuß ins Wasser, das so heiß war, dass mir die Tränen kamen. Ich setzte mich ganz rein, alles brannte, es war mir egal.
    Es war genau das Richtige, um bitterlich zu weinen.
    Nick und die Tussi.
    Nick, der mir das Herz gebrochen hat.
    Ich war mir so sicher gewesen, dass es endlich einmal ernst werden würde, ernst und gut und richtig!
    Ich weinte wieder. Ich weinte und weinte, bis ich ganz leer war – und meine Glieder schwer vom Alkohol waren. Ich stand auf, ging tropfend in die Küche und holte den restlichen Wein. Ich legte mich zurück ins Wasser, das inzwischen nur noch lauwarm war. Ich betrachtete meine verschrumpelten Hände. Ich betrachtete meine hübsch gebräunten Beine. Ich betrachtete mein Gesicht im Zerrspiegel des Wasserhahns und zog eine Grimasse. Ich trank den Wein aus.
    Dann wusste ich, was zu tun war.
    Ich stieg aus der Wanne, trocknete mich ab und holte zielsicher meine petrolblaue Seidenbluse aus dem Schrank, die mit der Schluppe, die mir besonders gut stand und mich schwanenhaft und gertenschlank aussehen ließ und die ich sonst bloß nie anzog, weil ich darin ein bisschen zu sehr nach sexy Büromaus aussah. Die Bluse klebte ein bisschen an meiner aufgeweichten Haut, aber das würde sich bald legen. Ich stieg in meinen Bleistiftrock, in Wolfordstrümpfe und schwarze hohe Schuhe. Ich war heilfroh, dass ich meine Business-Outfits hier in Hamburg gelassen hatte, denn jetzt brauchte ich sie. Ich legte Lippenstift auf und Wimperntusche.
    Ich würde zurück nach Alrein gehen, das ja. Aber ich würde Nick nicht feuern. Ich würde ganz normal mit ihm weiterarbeiten, als wäre nichts geschehen. Ich würde mir nicht die Blöße geben, schwach zu sein.
    Ich würde so stark sein, dass es ihm wehtut.
    Und ich würde sofort fahren, jetzt gleich.
    Allerdings, dachte ich, diesmal besser nicht mit dem Auto. Deshalb legte ich den Schlüssel auf den Küchentisch und nahm mir vor, meine Eltern darum zu bitten, den Wagen zu verscherbeln. Oder was auch immer damit zu machen. Ich würde ihn nicht mehr so schnell brauchen, und ich hatte ein, zwei Sachen gut bei ihnen. Ich dachte daran, jetzt gleich bei ihnen anzurufen, aber dann fiel mir ein, dass ihr Flieger aus Venedig möglicherweise schon gelandet war – wofür ich jetzt wirklich keinen Nerv hatte, war ein Besuch bei ihnen zu Hause, zu dem sie mich auf der Stelle verdonnern würden.
    Ich holte mein Mac Book aus der Schublade und schaltete es an. Ich hatte meinen Internetanschluss abgemeldet, aber es gab da diese Nachbarin, die sich nichts daraus zu machen schien, dass ihr W-Lan
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