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Liebe und Marillenknödel

Liebe und Marillenknödel

Titel: Liebe und Marillenknödel
Autoren: Emma Sternberg
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Papiere aus der Tasche ziehe und langsam auf den Tisch lege.
    » Also, wenn wir das geahnt hätten! Das musst du uns glauben, Sophie …«, setzt Lydia noch einmal an. Aber dann fällt auch ihr Blick auf die Papiere, die ich auf dem Schreibtisch ausbreite und mit der Sorgfalt eines Briefmarkensammlers sortiere.
    » Rede nur weiter«, sage ich zu ihr und drehe, vollkommenes Desinteresse demonstrierend, ein Blatt um.
    » Also, auf alle Fälle …«, versucht sie noch einmal den Faden aufzunehmen, » auf alle Fälle, äh … Was hast du denn da?«
    Sie beugt sich über den Schreibtisch, ihr Gesicht versteinert. Genau in dem Augenblick klingelt das Telefon. » Frau Isenschmidt?«, sagt sie mit abwesender Stimme. » Es hat sich erledigt, vielen Dank.«
    Und dann zeige ich ihr den Kontoauszug von Fritz Jirgl, auf dem links neben dem Betrag Hansebau – von Hardenberg GmbH & Co KG steht.

30
    Ich parke den Fiesta so, dass ich nur den Wagen von Nadine aus der Herstellung blockiere. Dann stelle ich den Motor ab. Ich atme einen Moment lang durch und drapiere mir im Rückspiegel die Haare. Ich lege sogar noch etwas Puder auf, bevor ich die Tür öffne und aus dem Wagen steige.
    Und jetzt zu dir, du Arsch, denke ich.
    Ich lege den Kopf in den Nacken und blicke am Verlagshaus hoch. Da oben ist mein altes Büro, im vierten Stock, direkt über den Müllcontainern – von außen sieht es nicht so aus, als hätte sich irgendetwas verändert. Manche meiner Kollegen haben die Aussicht auf den traurigen Hof gehasst, aber man konnte der Lage durchaus etwas abgewinnen. Zum Beispiel, wenn man sich einen Spaß daraus machte, die Aluverpackungen, in denen die Lieferdienste das Mittagessen brachten, direkt in eine der stets offen stehenden Tonnen zu werfen.
    Nach einer Weile hatte ich es raus, ehrlich. Ich musste nicht einmal mehr hinsehen.
    Ich schultere meine Handtasche und betrete den Verlag durch den Vordereingang. Ich nehme den Lift in die vierte Etage und steige aus. Sofort erkenne ich den Geruch wieder: nach der grauen, fleckigen Auslegeware, dem kalten Kaffee, dem heiß gelaufenen Laserdrucker. Ich steuere auf die Empfangsdame zu, Frau Isevic, die sich früher immer geweigert hat, meine Net-a-porter-Pakete in Empfang zu nehmen, weil die keine Geschäftspost waren, und lächle mühsam.
    » Frau von Hardenberg«, ruft sie erstaunt. » Das ist ja eine Überraschung.«
    » Ich möchte zu Jan Andersen«, sage ich, ohne weitere Erklärung.
    » Oh«, sagt sie. » Moment … ich versuch’s mal.«
    Sie nimmt den Hörer zur Hand, wählt eine dreistellige Nummer und lauscht dem Tuten nach. Sie lässt einen Kugelschreiber zwischen den Fingern kreisen und mustert mich einigermaßen unverhohlen, wie einen seltenen Vogel, den man in diesen Breitengraden nicht häufig zu Gesicht bekommt.
    Diese blöde Kuh. Ich hatte nun mal keine Gelegenheit, mich umzuziehen. Da muss man doch nicht gleich so ein Gesicht machen.
    Während Frau Isevic eine zweite Durchwahl probiert, nutze ich die Zeit, um mich umzusehen. Es sieht alles noch ganz genauso aus wie früher. Der lange Flur mit Urkunden und Auszeichnungen in billigen Bilderrahmen, manche davon hängen schief. Das Neonlicht, in dem alle immer so ungesund aussahen. Die Yucca-Palme in Hydrokultur neben der Tür zu den Klos. Der Zettel, auf dem aufgelistet ist, welche Verlagsautoren diese Woche Veranstaltungen in Hamburg haben. Und da, Beatrice, die Lektoratsassistentin aus meiner Abteilung, die einen Manuskriptstapel über den Flur trägt.
    » Sophie!«, ruft sie erstaunt und lacht mich an. » Was machst du denn hier? Hast du Zeit für ’nen Kaffee?«
    Ich mache ein paar Schritte auf sie zu. » Beatrice, hey, wie geht’s?«
    » Herr Andersen ist nicht im Haus«, pfeift Frau Isevic mich mit scharfer Stimme zurück. » Erst um 17 Uhr wieder!«
    » Geht schon klar«, ruft Beatrice in Richtung Empfangstresen, dann flüstert sie mir zu: » Die Alte soll sich mal nicht so haben.«
    Frau Isevic guckt pikiert. Sie hat sich schon immer für die Gralshüterin des Verlags gehalten, für die Herrin von Tür und Tor.
    Ich kann nicht behaupten, dass Beatrice und ich besonders dicke miteinander gewesen wären, aber nach den Wochen auf dem Berg freue ich mich wahnsinnig, sie zu sehen. Außerdem ist ein schöner, starker Kaffee das Letzte, was ich jetzt ablehnen würde. Ich habe bei Lydia und Helena nichts angerührt – aus purem Stolz und nicht etwa, weil ich nicht nach Koffein gegiert hätte.
    » Schwarze Plörre mit
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