Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition)
Autoren: István Kemény
Vom Netzwerk:
höchster Lüster, einen halben Finger breit weiter oben ist schon die Wega), also sie sagten: Dieses Licht da oben kann unmöglich etwas anderes sein als die König-Géza-Straße 3. In Ordnung, wunderbar. Sie schlossen Wetten ab. Dann blieb die eine Hälfte der Gesellschaft mit der Hälfte der Getränke hier und fixierte den besagten Punkt. Das machten immer zwei zur gleichen Zeit. Damit sie ihn nicht verloren. Und die anderen fuhren mit dem Taxi an die entsprechende Stelle, in dem Fall vor das Haus Nummer 3 in der König-Géza-Straße und gaben ein Lichtzeichen ab. Sie zündeten zum Beispiel eine Mülltonne an. Wenn die Mülltonne an der richtigen Stelle brannte, gewann jemand. Und dann zahlte dieser jemand in der Kneipe
Idea
die Zeche, denn diese hatte bis Mitternacht geöffnet, wie übrigens heute auch.“
    „Aber du hast es nicht mehr gemacht, nehme ich an.“
    „Nein. Das macht heute kaum noch jemand. Dafür braucht man Mut und inneres Feuer. Weitere Fragen?“
    Er sah mich herausfordernd an, sollte ich doch ruhig Fragen stellen. Aber ich stellte keine mehr. Das Leben der alten Enzyklopädisten verlief ganz sicher nicht so … Sie haben unter keinen Umständen Mülltonnen angezündet. Das ist ein riesiger Blödsinn, Gábor. Zugegeben, meine Frage war auch blöd gewesen.
    Wir hingen unseren Gedanken nach. Vor uns schimmerten die vielen Tausend Lüster Budas. Und alle anderen Lichter. Darunter gab es einen besonders hellen Punkt. Irgendwo auf dem Sváb-Berg. Da ich nicht fragte, was seiner Meinung nach dieser helle Punkt sein könne, sprach er es selbst an.
    „Siehst du dieses strahlende Licht? Einen halben Finger breit links unter der König-Géza-Straße.“
    Ich sah es.
    „Gut. Also das ist die Nesz Straße 30. Eine kleinere Villa. Ein Mehrfamilienhaus. Und was denkst du, wer dort wohnt? Herr Patai. In der ersten Etage. Und im Dachgeschoss ist eine Atelierwohnung. Dort ist jetzt ein Fotoatelier. Deshalb ist es so hell.“
    „Das ist ein Feuer“, sagte ich. „Da brennt etwas.“
    „Ausgeschlossen.“
    „Doch, das ist ein Feuer.“
    Gábor sah nicht so gut, er trug seine alte Brille, weil die neue bei seinem Sprung in die Donau verlorengegangen war. Ich hatte mich zu dem Zeitpunkt bereits an die Kontaktlinsen gewöhnt, fühlte mich aber ohne Brille immer noch halbblind und stritt daher nicht mit ihm. Gut, dann war es eben kein Feuer. Dabei war es tatsächlich ein Feuer und auch kein kleines, das erfuhren wir jedoch erst später, nicht an diesem Abend. Mangels Streitpartner zweifelte Gábor seine eigene Aussage an.
    „Vielleicht ist es ja doch nicht die Nesz Straße“, sagte er. „Sag mal, was will er eigentlich von dir?“
    „Wer?“
    „Na, Patai.“
    „Von mir?“, fragte ich ganz gelassen. „Hat er etwas über mich gesagt?“
    „Jetzt hast du Schiss, was?“
    Er steckte sich eine weitere
Grauer Bruder
in den Mund. Er hatte eine besonders gruselige Grimasse auf Lager, für die er zwei Zigaretten brauchte.
    „Er fragt mich jeden Morgen, ob du überhaupt noch lebst“, sagte er bedrohlich. „Er hat etwas mit dir vor. Du bist nicht zu beneiden.“
    Ich konnte seiner Grimasse nicht entkommen. Er zeigte sie mir von links, um mich auszutricksen, als ich mich jedoch nach rechts drehte, erwartete mich sein Gesicht bereits. Es war eine angsteinflößende, grauenvolle Grimasse. Ich gab den Kampf auf und sah ihm lachend zu.
    Zum Glück hörten wir in dem Moment, dass jemand den Personaleingang verließ, woraufhin Gábor sofort aufsprang. Noch im Sprung spuckte er die Zigaretten in die Ecke, schaltete das Licht an und kaum hatten seine Füße den Boden berührt, stand er schon respektvoll und stramm am Ende des Gangs. Aber es kamen nur die
Kleinen
. Ein bisschen angetrunken, wie immer zu dieser Uhrzeit. Szabó, der Pilinszky-Forscher, Dervis, der Forscher der Zeitschrift
Újhold
, Ócsai, der Ervin-Gál-Forscher und Ervin Gál persönlich. Sie waren die
Kleinen
. Sie gehörten zum Inventar der Bibliothek, waren ein wenig beiseite gestellt, aber zumindest in bester Gesellschaft, lebenslang. Vier verbitterte Füchse.
    „Was gibt es, mein lieber Gábor? Wartest du schon darauf, dass die Bibliothek öffnet? Das ist schön, aber dafür müssen wir erst einmal abschließen.“
    Lachend scheuchten sie Gábor in die eisige Nacht hinaus. Und mich auch, wenn ich schon einmal da war.
    „Du Esel, streng dich an“
, sagte die Stimme, während wir uns von den
Kleinen
hinausbefördern ließen.
    Ich dachte für einen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher