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Liebe Unbekannte (German Edition)

Liebe Unbekannte (German Edition)

Titel: Liebe Unbekannte (German Edition)
Autoren: István Kemény
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auch, das neue Flussbett auszugraben.“
    Hier warf er mir wieder einen misstrauischen Blick zu, Vater einen fragenden. Vater erwiderte ihn widerwillig. Er fühlte sich unbehaglich. Das Thema erfreute ihn nicht.
    „Hör zu, Tamás, wenn du kein spöttischeres Gesicht ziehst, werde ich zutiefst betrübt sein …“
    „Also stimmt es nicht?“, fragte ich verzweifelt.
    „Machst du Scherze, Tomi? Natürlich nicht. Zumindest nicht so“, sagte Vater mit einem etwas nervösen Lachen. „Versuch, symbolisch zu denken. Ist das Wasser da? Ja, es ist da.“
    „Warte, warte, wir sind noch nicht so weit. Das ist nicht so einfach“, unterbrach Onkel Lajos Vater und wandte sich wieder an mich.
    „Für Hitler“, fuhr er nachdenklich fort, „war Budapest aus irgendeinem Grund …“
    Mir lief wieder ein wohltuender Schauder über den Rücken. Wir waren bei einer Hauptfigur der
Großen Geschichte
angelangt. Onkel Lajos prüfte mit einem flüchtigen Blick zur Balkontür, ob er nicht wieder unterbrochen werden würde. Aber diesmal unterbrach ihn niemand. Wir wussten genau, weshalb: In der Wohnung hatte, wie immer, die Kleideranprobe begonnen. Tante Judit drängte Mama, Erika und Gerda ihre alten Kleider auf. Sie würden zunächst ablehnen, aber irgendwann eine nach der anderen nachgeben und sie anprobieren. Jetzt würden wir auf dem Balkon vielleicht eine Weile Ruhe haben.
    „Also für Hitler war Budapest aus irgendeinem Grund eine sehr wichtige Stadt. Eine außerordentlich wichtige. Viel wichtiger als zum Beispiel Wien. Ja, ich behaupte nicht zu viel, wenn ich sage, dass sie für ihn sogar wichtiger als Berlin war. Dafür gibt es auch Beweise, auf die wir aber jetzt nicht weiter eingehen können. Einigen wir uns darauf, dass ihm Budapest aus irgendeinem Grund außerordentlich wichtig war. Ab Herbst 1944 zog er Truppen aus Berlin ab, um Buda pest zu schützen. Elitetruppen. Die dann während der Belagerung zerbröselt wurden. Bis heute weiß keiner, warum Budapest für Hitler so wichtig war. Dabei haben viele versucht, es herauszubekommen. Es musste hier irgendetwas gegeben haben, ausgerechnet hier, in dieser Stadt, etwas, das er haben wollte. Was konnte das sein? Ich weiß nicht, wie viel du darüber weißt, auf jeden Fall ist es Tatsache, dass Hitler noch vor dem Krieg eine Menge Astrologen und Traumdeuter hatte zu sich kommen lassen; nur die Besten des Fachs. Auch Juden. Die klügsten Köpfe. Hitler interessierte sich für diese Themen, er wird schon gewusst haben, weshalb.“
    „Wir haben uns schon darüber unterhalten“, sagte Vater und zündete sich eine Zigarette an. „Der Junge hat das Buch gelesen. Stimmt ja, Lajos, es ist noch bei mir, ich gebe es dir das nächste Mal zurück.“
    Souček war ein tschechoslowakischer Journalist. Er schrieb Bücher über die rätselhaften Phänomene der Welt. In diese, angefangen bei den Rosenkreuzern bis zu den Ufos, konnte die Bevölkerung der Provinzen der Sowjetunion durch sein Werk Einblick erhalten. Weshalb gerade Souček über all diese Dinge schreiben durfte? Für mich stellte damals allein die Tatsache, dass es in den Provinzen der Sowjetunion eine Person wie Souček geben konnte, dessen Bücher über diese Themen erscheinen durften, ein rätselhaftes Phänomen dar, heute denke ich allerdings, dass er sich unter den gegebenen Umständen wahrscheinlich als der Geeignetste für diese Aufgabe erwies.
    „Diese seltsame, verdächtige Gruppe konsultierte Hitler bis zu seinem Tod. Sie war bis zum Schluss bei ihm in seinem Berliner Bunker. Sprechen wir es aus: Er stand unter ihrem Einfluss. Und zwar desto stärker, je länger er mit ihnen zusammengeschlossen war. In den letzten Monaten erteilte er vermutlich alle Befehle unter ihrem Einfluss. Also auch die, bei denen es um den Schutz Budapests ging. Nun, diese Fachleute tauchten nach dem Krieg nicht wieder aus dem Bunker auf. Auch ihre Leichen nicht. Sie waren verschwunden, allesamt! Dabei gibt es auch Hinweise, dass die meisten von ihnen die Schlacht um Berlin überlebten und in Gefangenschaft gerieten. Wo sind diese Fachleute hingekommen? Die Besatzungsmächte hüllten sich diesbezüglich in tiefes Schweigen – und tun das bis heute. Das konnten sie auch, es fragte ja niemand nach. Selbst im Westen wurde das erst in den letzten Jahren zum Thema. Manches wurde nun, nach dreißig Jahren, in den Archiven zur Einsicht freigegeben. Und dabei kam viel Seltsames zum Vorschein. Wirklich Seltsames und Erstaunliches. Es stellte sich
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