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Liebe ist ein Kleid aus Feuer

Titel: Liebe ist ein Kleid aus Feuer
Autoren: Brigitte Riebe
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Mädchen murmeln.
    »Vierzehn. Und du?«
    »Dreizehn. Am Dreikönigstag war mein Geburtstag.«
    »Meiner auch.«
    »Wenn man am gleichen Tag geboren wurde, gehört man auch zueinander. Das hab ich einmal jemanden sagen hören.«
    »Kann sein«, sagte Eila, und es klang vorsichtiger als zuvor. »Es spricht jedenfalls nichts dagegen, Freunde zu werden.«
    Eine Weile blieb es still.
    »Meine Mutter ist tot«, sagte Rose schließlich. »Das wolltest du vorhin doch herausbekommen, oder nicht? Und die Schwester meines Vaters wollte nicht länger bei mir bleiben.«
    »Weshalb? Hast du sie geärgert?«
    »Nein. Jedenfalls nicht sehr oft, glaube ich.« Das Mädchen begann sich unruhig zu bewegen. »Aber das war es nicht. Tante Almut wollte endlich ins Stift. Nach Gandersheim.« Täuschte sich Eila, oder wurde die Stimme jetzt tatsächlich zittrig? »Um ein frommes Leben zu führen, so wie mein Vater es ihr seit langem versprochen hatte. Sie hatte es gründlich satt, noch länger zu warten. Vor allem konnte sie nicht länger mit ansehen, wie ich immer wieder …« Rose nieste heftig, ein paarmal hintereinander.
    »Wirst du jetzt etwa krank?«, fragte Eila.
    »Kann ich gar nicht werden.«
    »Weshalb?«
    »Deshalb!«
    Eila spürte, wie Roses Hand zur Brust glitt und etwas berührte. Das Lederband um den schmalen Nacken war ihr längst aufgefallen. Trug sie ein Kreuz? Nein, das hätte sie nicht unter dem Hemd zu verbergen brauchen. Es musste etwas anderes sein, etwas, das sie lieber für sich behielt. Eila lächelte. Dann würde es sicherlich nicht lange dauern, bis sie es herausgefunden hatte. Sie war eine Spezialistin, was Geheimnisse betraf.
    »Ich werd nicht krank«, sagte Rose matt. »Bestimmt nicht! Nur im Hals kratzt es scheußlich. Und kalt ist mir auch. War ganz schön weit bis zu euch.«
    »Und dein Vater? Was wird er jetzt tun? Ich meine, der Mann mit der Narbe …«
    »Der Strick?« Rose setzte sich auf und begann zu lachen. »Das ist doch nicht mein Vater, was glaubst du denn! Der hat mich doch bloß hergebracht, weil ich ohne Tante Almut nicht allein auf der Burg bleiben sollte. Mein Vater ist Bernhard, Edler von Weißenborn. Ein Ritter, der für den König kämpft.«
    »Das tut mein Vater auch«, sagte Eila.
    »Ja, ich weiß. Die beiden sind Waffenbrüder. Deshalb bin ich ja hier.«
    »Und wirst du auch bleiben?« Eila erschrak darüber, wie sehr sie sich das jetzt schon wünschte.
    »Vielleicht. Bis mein Vater zurückkehrt. Lass uns jetzt schlafen!«
    Rose rutschte tiefer, und Eila legte sich dicht hinter sie.
    »Sie hatte lange dunkle Haare, in die sie mich manchmal gewickelt hat, als ich noch klein war. Sie roch nach Wald. Ab und zu hat sie gesungen«, hörte sie Rose murmeln. »Wenn wir allein waren, hat sie mich Zora genannt. Das bedeutet Abendstern. Aber das verstehen nur die Sprechenden. Und niemand sonst auf der Welt hatte so weiche Hände wie sie – niemand!«
    Eila tat, als ob sie fest schlafe.
    »Sie hieß Marja«, flüsterte Rose später. »Doch das darfst du keinem Menschen verraten.«
    Später im Traum flog Eila durch die Nacht. Es war nicht kalt, sondern mild wie am Johannistag, wenn überall auf den Hügeln die Feuer brannten und Glühwürmchenschwärme in den Hecken tanzten. Weit unter sich hörte sie die kleinen Brüder rufen, fröhlich, fast ausgelassen, und sie wollte ihnen antworten, aber sie konnte es nicht, denn ihr Mund war mit bunten Bändern verschlossen.
    Als sie irgendwann müde wurde, entdeckte sie unter sich eine Baumkrone, die sich beim Näherkommen öffnete wie ein großes, warmes Nest. Sie landete sanft und wickelte sich zum Schlafen in Roses Haar, das so dunkel war wie Rauch, so lang, so weich.

    »Was soll ich mit dem fremden Balg?«, sagte Oda. »Mein eigenes ist mir schon mehr als genug.«
    Es machte ihr nichts aus, dass die junge Magd bei diesen Worten beinahe die Platte mit den abgenagten Kaninchenknochen fallen ließ. Das Fleisch war zäh gewesen, aber noch immer besser als das klumpige, angebrannte Kraut und der versalzene Linseneintopf, den ohnehin keiner angerührt hatte. Bodo, der Kämmerer, war längst gähnend zu Bett gegangen. Dem Gesinde gefiel es nicht, wie sie mit Eila umsprang, aber darum hatte sie sich noch nie geschert. Wem es nicht passte, der konnte gehen. Schon im Herbst hatte sie ihre Zofe nach Hause geschickt, weil ihr das ständige Flennen der Fünfzehnjährigen zu viel geworden war. Es gab ja Malin, die sich um sie kümmerte, und manchmal ertrug sie
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