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Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Titel: Liebe Isländer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huldar Breiðfjörð
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schließlich tauchte dann in der Nacht auch Bubbi mit seiner Gitarre auf.
     
    Als ich am nächsten Morgen nach vorn in den Speisesaal ging, saß dort der Hotelbetreiber und unterhielt sich mit einem schlanken, lebhaften Typen. Beide hatten einen Kaffeebecher in der Hand und diese besondere isländische Plauderposition eingenommen. Man lehnt den Oberkörper etwas schwerfällig nach vorn gegen den Tisch, schiebt das Hinterteil heraus, hakt die Schuhe hinter den Stuhlbeinen ein und erweckt den Eindruck, sich am Kaffeebecher festzuhalten. Diese Plauderposition ist typisch isländisch, es gibt sie nirgendwo sonst. In Frankreich schlägt man die Beine übereinander, legt eine Hand locker unter die Wange und winkt mit der anderen von Zeit zu Zeit resignierend ab. Die Italiener lehnen sich breitbeinig im Stuhl zurück und gestikulierenununterbrochen. In Portugal verschränkt man die Arme und sitzt ziemlich weit vorgebeugt. Und die Spanier sind meistens so erregt, dass sie nicht wissen, ob sie sitzen oder stehen sollen. Ich erwähne diese Nationen, weil sie mit der isländischen die Gemeinsamkeit besitzen, Vergnügen am Kaffeeplausch zu haben. Da war sie nun, jene Szene, die ich mir so oft vorgestellt hatte, bevor ich losfuhr. Männer beim Plaudern mit Kaffeebecher in der Hand. Ich hakte ebenfalls die Schuhe hinter den Stuhlbeinen ein und erwischte den letzten Fetzen eines Gesprächs über die Shoppingfahrten der Isländer. Es musste schon einen Kaffeeliter lang gedauert haben, weil die Kanne leer war.
    »Ich versteh das einfach nicht«, sagte der Schlanke: »Man bekommt hier alles heutzutage.«
    »Früher war das anders hier, als die Leute sich sogar Obst im Ausland kauften«, sagte der Hoteldirektor.
    »Und was meint ihr, was dabei rauskommt, wenn manche an einem einzigen Tag für zweihunderttausend einkaufen?«, fragte ich.
    Sie sahen mich beide überrascht an, sagten aber nichts. Dann knallte der Schlanke den Becher auf den Tisch, stieß seufzend ein »Jaja« hinauf in die Rauchwolke in der Luft und verschwand.
     
    Was ist erfrischender, als den Tag damit zu beginnen, auf Glatteis an einem steilen Berghang entlangzufahren, bei Regen, Sturm aus Südwest und mit Schlagern von Ellý Vilhjálms aus dem Radio? Ich streckte die Hand aus dem Fenster, fuhr mir mit den kalten, nassen Fingern übers Gesicht und wurde noch frischer, ein Isländer.
    Ich bekam fast einen Schock, als ich Rif erblickte. Das Dorf liegt sechs Kilometer westlich von Ólafsvík, und auf dem Schild an der Ortsgrenze steht, dass innerhalb dieser jegliches Führen von Schusswaffen verboten sei. Dieses Schild erfasst ganz genau die Stimmung an diesem Ende der Welt. Rif scheint so ein Ort zu sein, wo allen alles sicherlich »scheißegal« ist. Und wo die Leute das Gesetz selbst in die Hand nehmen zwischen dem Entladen des Fisches und der nächsten Schicht. Vielleicht ist das den Bullen auch scheißegal. Die Siedlungbefindet sich oben auf dem Riff an der Straße Hohes Riff, die ein U bildet und den Hafen umschließt. Vom Hafen aus sprüht das Meer über eine Art Fischverarbeitungshalle, wo ein paar Kerle spuckend herumstiefeln. Gleich daneben befinden sich der Laden Virkið, eine Autowerkstatt und eine Bremsschwelle.
    Ich fuhr einige Runden durch den Ort und bemühte mich, den Charme dieses Fleckens zu entdecken, doch ich fühlte immer stärker, dass in Rif die trotzigsten Leute von ganz Island wohnen. Hier zu wohnen scheint vor allem eine Frage irgendwelcher Prinzipien zu sein, oder es geht auf alte Wetten zurück. Viele Fenster in den Häusern waren über Kreuz mit Klebeband verklebt, entweder wegen der Witterung oder wegen des Schusswaffenproblems, und bald erschienen starrende Hausfrauengesichter hinter den Kreuzen. Es war so unheimlich, dass ich mich beeilte, aus dem Ort fortzukommen.
    Ich erwartete deshalb nicht viel von Hellissandur. Doch die alten, freundlichen Häuser überraschten mich, und hier und da lehnte sich ein violetter Wintergarten an ein Heim. Allerdings befindet sich ein öder Block der Landesbank in der Mitte des Ortes, und die Schule ist ein unnötig massiver Betonklotz. Aber der Gasthof Gimli, ein rot angemaltes Wellblechhaus, schafft es mit Leichtigkeit, beide zu übertrumpfen, und verleiht dem Ort eine freundliche, dänische Note. Davor mühten sich ein Vater und sein Sohn ab, einen Automotor auf einen Hänger zu hieven. Diese Szene war wie der Anfang eines Kinofilms, den ich gern sehen wollte, und ich beschloss, den beiden zu folgen,

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