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Liebe auf südlichen Straßen

Liebe auf südlichen Straßen

Titel: Liebe auf südlichen Straßen
Autoren: Horst Biernath
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Schritt — es waren übrigens zweihundert, denn die Gelateria lag dem Bad sehr schräg gegenüber — legten sie schweigend zurück. Lorenz fand nicht den Mut, Fragen zu stellen, und Lorenzo noch nicht den richtigen Absprung. Die Gelateria. ein armseliges Lokal, das seine Existenz nur dem Umstand verdankte, daß hier die Busse nach Gardone und Riva hielten, verfügte über drei wackelige Blechtische und ein halbes Dutzend eiserner Stühle mit Holzsprossen, die nur noch zum Teil vorhanden waren. Aber an dem Eis, das als Markenfabrikat einer bekannten Firma aus der Kühltruhe kam, war nichts auszusetzen. Lorenzo nutzte die Einladung aus und nahm sich eine Cassata siziliana, Lorenz ließ sich eine Aranciata bringen und gleich darauf die zweite, da er das erste Fläschchen auf einen Zug leerte.
    »Zigarette, Lorenzo?« fragte er trotz der Vorwürfe, die Anna ihm gemacht hatte, aber er fand, es sei Zeit, die Partie zu eröffnen.
    »Danke, Signore, aber ich habe Mamina mit einem Kreuz in die Hand versprechen müssen, nicht mehr zu rauchen. Und ehrlich gesagt, die Cassata ist mir lieber.«
    Lorenz nickte ihm zu und murmelte, daß auch er sich eine strenge Mamina wünsche, die ihm das Rauchen verbieten möge; nur bezweifelte er seine Charakterfestigkeit, ob er ein Versprechen — selbst mit einem Kreuz in der Hand bekräftigt — auf die Dauer halten würde. Lorenzo nahm mit dem kleinen Holzspachtel, der zur Cassata gratis geliefert wurde, winzige Eisportionen auf die Zunge, ließ sie genießerisch zergehen und zerbiß die kandierten Früchte wie eine Maus mit den Schneidezähnen. Lorenz warf einen nervösen Blick auf seine Armbanduhr.
    »Du wolltest mit mir sprechen, Lorenzo...«, mahnte er.
    Lorenzo nahm ein Stückchen Kandiertes aus dem Munde, rieb es zwischen den Fingerspitzen, vergewisserte sich am Geruch, daß es tatsächlich Pistazienkern sei und schob es wieder auf die Zunge. »Sie sind mein Vater, Signore, nicht wahr?«
    Lorenz fiel eine Weile aus den Wolken und landete schließlich wieder hart auf seinem Stuhl.
    »Wie kommst du auf diese Idee?«
    »Durch einen reinen Zufall, Signore. Sie dürfen es mir glauben. Ich bin Ihnen wirklich nicht nachgeschlichen. Es war gestern nichts los mit dem Geschäft am Bagno publico. Und deshalb packte ich meinen Stand früher zusammen und ging heim. Als ich oben ankam, sah ich Sie und Ihre Frau und Mamina unter der Pergola vor dem Hause sitzen und Wein trinken. Ich wollte nicht stören und ging hinter das Haus, um Reisig zu hacken. Und da hörte ich, ob ich wollte oder nicht, Ihr Gespräch mit an. Mamina hat eine ziemlich laute Stimme...«
    »Hast du hinterher mit deiner Mutter darüber gesprochen?«
    »Wo denken Sie hin, Signore?! Mamina hätte mir die Ohren abgerissen. Sie kann sehr leidenschaftlich werden. Dann ist es besser, wenn man sich verzieht.«
    »Hm...«, sagte Lorenz und wußte nicht, wie er sich verhalten sollte, »ich weiß nicht, was du gehört hast und ob du alles richtig verstanden hast. Ich weiß nur, daß deine Mamina sehr böse würde, wenn sie erführe, daß du gelauscht hast.«
    »Ich habe nicht gelauscht, Signore, das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Aber sie braucht es nie zu erfahren, Signore, wenn Sie schweigen werden. Ich kann den Mund halten, glauben Sie mir!«
    »Trotzdem...«, sagte Lorenz sehr unbehaglich.
    »Orsù!« unterbrach ihn sein Sohn, »ich bin kein kleines Kind,
    Signore! Ich weiß ganz genau, daß Matteo Luzzatto, der erste Mann von Mamina, der fünf Jahre vor meiner Geburt starb, nicht mein Vater sein kann, und Pietro Cosini ebensowenig, da wir ihn erst geheiratet haben, als ich schon in die Schule ging. Und ich merke doch auch, wie sie mich anstarren und höre oft genug, wie sie tuscheln und an Ähnlichkeiten herauszubekommen versuchen, wer mein Vater war, Signora Produtti und Signora Bartoli, die Nachbarsfrauen, die abends auf einen Schwatz und auf einen Schluck Wein zu meiner Mamina kommen.«
    Er nahm einen kleinen Löffel Eis und schob ihn in den Mund: »Mit mir können Sie wie mit einem Mann sprechen, Signore. Ich bin schließlich zwölf Jahre alt und mache mich selbständig, sobald ich die Schule hinter mir habe.«
    Er sah Lorenz erwartungsvoll an, aber Lorenz hüllte sich in Schweigen und Rauchwolken und zündete die zweite Zigarette an der Glut der ersten an.
    »Und dann war da noch Nonno Anselmo«, fuhr Lorenzo fort. »Er starb ein Jahr bevor wir Pietro Cosini heirateten. Er war sehr alt und schon ein wenig wirr im Kopf, und
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