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Liebe auf eigene Gefahr Roman

Liebe auf eigene Gefahr Roman

Titel: Liebe auf eigene Gefahr Roman
Autoren: Emma McLaughlin
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streiche leicht mit den Fingerspitzen über die Schalttafel und finde den kleinen Schalter. Als ich ihn umlege, erhellt sich das Zimmer, und ich sehe, dass der senkrechte Dimmer keinen Deckel mehr hat und das rasiermesserscharfe Metallende ungeschützt hervorragt. Ich drehe mich um und stelle fest, dass ich mich in einem leer geräumten Ankleidezimmer befinde, das mich sofort an jene Mädchenzimmer erinnert, in die die Eltern der inzwischen halbwüchsigen Tochter viel zu viel Geld oder Gefühle investiert haben, um es zu renovieren, sodass die Heavy-Metal-Poster einfach über die Wandmalereien aus Einhörnern und Feen geklebt werden.
Hier sind Delfine das Motiv: Sie halten den Frisiertisch, glitzern in winzigen Edelsteinen zwischen den Bodenfliesen, tollen in den Deckenfresken herum, springen über die türkisfarbene Seide der Vorhänge. Irgendwo im hinteren Teil meines Hirns macht es klick, und ich erinnere mich, dass Edens Vorgängerin einen Hit mit dem Titel »Angel of the Sea« hatte. Über die polierte Natursteinwand zieht sich Edens Handschrift – Fotos aus Western-Magazinen sind wahllos auf Wände und Spiegel geklebt, ein Kuhschädel hängt über der Schmuckschatulle, und alle vier Wände sind mit Poesie vollgeschmiert – mit Tinte, Lippenstift, Eyeliner. Ich erkenne Texte, die es in ihre Songs geschafft haben, sehe meterweise Verse, die so roh, so persönlich sind, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass jemand sie auf einer Bühne in die Welt hinausposaunt.
    Obwohl ich unsicher bin, ob Wändelesen nicht das Gleiche ist wie Tagebuchlesen, verschlinge ich gefesselt jedes Wort. Sie schreibt über das Herumreisen, über den Kampf gegen die Sucht, über ihre Mutter und über einen Sohn, den sie für immer beschützen will. Hatte sie ein Baby? Als sie noch in Arizona lebte? Ich lese weiter, setze die Metaphern zu einem Puzzle zusammen. Sein Herz ist ein leuchtender Vogel, sein Lächeln eine schiefe Linie, die sie nicht überqueren kann, seine Stimme ein Ascheregen, fliegende Löwenzahnsamen, ein Ring aus Rauch. Sie redet von Jake.
    Vom Steinboden steigt die Kälte in meine Beine, und ich setze mich auf den Frisiertisch und ziehe die Füße hoch. Und dort hängt am Spiegel eine Fruchtbarkeitstabelle, auf der sie in die Ecke jedes Tages ihre Basaltemperatur eingetragen hat – 36.5, 36.5, 36.5. Dann schießt die Zahl auf 37 Grad hoch, und die drei folgenden Tage sind dick umkreist und mit Ausrufezeichen versehen. Und darüber hat sie mit Eyeliner geschrieben Scheiß auf Jake. Und Madrid. Ich schätze,
er hat es nicht rechtzeitig zu ihrem Eisprung nach Hause geschafft.
    Jemand klopft entschlossen an die Tür. »Kate?«, fragt eine männliche Stimme.
    »Es ist offen!«, rufe ich und sehne mich plötzlich nach Gesellschaft, auch wenn diese Gesellschaft mir Extensions verpassen will.
    Der Irokesentyp öffnet die Tür, sein Diadem ist verrutscht. »Für dich.« Er streckt mir ein FedEx-Paket entgegen.
    »Für mich?«
    »Wurde mir zumindest gesagt.« Er stolziert herüber und legt es vor mich auf den Tisch, bevor er mit seinen schwarz umrandeten Augen einen Blick auf die Wand wirft. »Himmel, sie ist einfach brillant.«
    »Nicht eher verrückt?«
    »Nein.« Er stützt eine Hand auf seine schmale Hüfte. »Sie ist eine Künstlerin, eine echte. Aber das ist genau eine Künstlerin zu viel in der Ehe, wenn du mich fragst.« Er blickt in den Spiegel über meinem Kopf und plustert sein Haarnest auf.
    »Wie wär’s mit zwei Künstlern zu viel?«, frage ich.
    Er zuckt beschwipst mit den Schultern, versteht die Rechnung nicht. »Ach, und mach nicht mehr so lange. Miss Thomas rennt mit deinen Haaren herum und sieht aus, als hätte er jemanden skalpiert.«
    »Danke«, sage ich, als er die Tür schließt und Jakes lärmenden Zirkus hinter sich aussperrt, mich in der abgeschiedenen Stille von Edens Zufluchtsort zurücklässt. Mein Magen zieht sich zusammen, als ich die schiefe, kratzige Handschrift von Dad auf dem Etikett erkenne. Stimmt ja. Die beiden gibt es auch noch. Ich trage den Karton zu den geschlossen Gardinen und ziehe die üppige Seide auf, bis die helle Dezembersonne durch die Fensterfront hereinströmt und Edens Collage mit ihrem weißen Licht dämpft.

    Ich setze mich auf den Boden, drehe Edens Zimmer den Rücken zu und versuche, mir durch die Aussicht auf die roten Backsteinhäuser eine heitere Perspektive zu bewahren. Mit gemischten Gefühlen fahre ich über den Expressaufkleber, greife nach einem unter der
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