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Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)

Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)

Titel: Liebe auf den zweiten Blick (German Edition)
Autoren: Lynsay Sands
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künftig von ihm fern.«
    Clarissa schwieg unschlüssig, denn sie mochte ihre Stiefmutter nicht noch mehr reizen. Dann platzte sie heraus: »Und warum soll ich mich von ihm fernhalten? Er hat sich wie ein perfekter Gentleman verhalten, und wenn er ein Graf ist …«
    »Nein, er hat sich keineswegs wie ein Gentleman benommen«, konterte Lydia. »Er hätte sich dir angemessen vorstellen müssen, und er hat viel zu eng mit dir getanzt.«
    Clarissa biss sich auf die Lippe. Gewiss, das war ein unverzeihlicher Fehler, aber daran war sie nicht ganz unbeteiligt gewesen …
    »Als er jünger war, war Mowbray ein unverbesserlicher Frauenheld«, fuhr Lydia fort. »Er hat so manches arme Ding entehrt. Zweifellos hat der liebe Herrgott ihn dafür bestraft. Geschieht ihm recht, dass sein Gesicht so entstellt ist.«
    Dieses selbstzufriedene Miststück! Clarissa versagte sich jeden Protest, da sie wusste, sie hätte es bloß schlimmer gemacht.
    »Du hältst dich jedenfalls von ihm fern, denn er hat bestimmt keine ernsten Absichten. Ich gebe dir Brief und Siegel darauf, dass er lediglich mit deinen Gefühlen spielen und deinen ohnehin schon angekratzten Ruf weiter ruinieren wird. Dein Vater verlässt sich auf mich, und ich sorge dafür, dass du eine gute Partie machen wirst. Er würde es mir niemals verzeihen, wenn es wegen diesem Mann zu einem weiteren Skandal käme.«
    Clarissa seufzte unglücklich und schwieg. Sie spähte aus dem Kutschenfenster in die Dunkelheit, unterbrochen von Lichtreflexen, die an ihr vorüberflimmerten. Es war sinnlos, Lydia mit Argumenten zu kommen; das hatte sie aus der Sache mit der Brille gelernt. Folglich schluckte sie ihre Verärgerung hinunter, konzentrierte sich auf die vorüberziehenden Lichter und ließ ihre kurze Begegnung mit Lord Mowbray vor ihrem geistigen Auge Revue passieren.
    Adrian Montfort, der Graf von Mowbray, wiederholte sie im Geiste. Der Name passte zu ihm. Er war sehr nett zu ihr gewesen und kein bisschen so, wie sie sich einen Earl vorstellte. Die paar, die sie bislang kannte, waren ziemlich arrogant und unterkühlt, ganz anders als Adrian. Er schien ihr die Liebenswürdigkeit in Person, verständnisvoll und sympathisch. Clarissa dachte an seine wohlklingend dunkle Stimme, an seinen frischen, würzigen Duft und wie er sie in seinen starken Armen über die Tanzfläche geführt hatte. Sie hatte sich in diesen Armen sicher und geborgen gefühlt. Kaum zu glauben, dass er ein Frauenheld sein sollte, der reihenweise junge Mädchen vernaschte.
    Ein lauter Seufzer von Lydia unterbrach ihre grüblerischen Gedankengänge, und sie blinzelte skeptisch zu der schemenhaften Gestalt auf der anderen Sitzbank.
    »Wenn du nicht so blind wärst«, ätzte Lydia, »hätte ich eine Sorge weniger.«
    »Wieso?«, wollte Clarissa wissen und verkniff sich den Hinweis, dass sie nicht so blind wäre, wenn sie ihre Brille tragen dürfte.
    »Weil der Mann grottenhässlich ist«, versetzte Lydia. »Wenn du ihn sehen könntest, würdest du ihn garantiert abstoßend finden. Früher galt er als einer der attraktivsten Männer in unseren Adelskreisen. Dann meldete er sich für den Krieg und kehrte mit dieser grausigen Gesichtsverletzung zurück. Mittlerweile tuschelt man hinter vorgehaltener Hand über ihn. Alle finden es infam und ekelhaft, wie er sich mit einem derart entstellten Gesicht in die feine Gesellschaft wagen kann.«
    »Dann sind wir das perfekte Paar«, flüsterte Clarissa. »Zwei Außenseiter, über die sich diese Lackaffen die Mäuler zerreißen.«
    »Was war das gerade?«, fragte Lydia scharf.
    »Ach, nichts.« Clarissa heftete den Blick abermals auf das Kutschenfenster und seufzte. Lydia wollte ihn bestimmt bloß schlechtmachen. Sie selbst mochte einfach nicht glauben, dass er bloß mit ihren Gefühlen spielen wollte, und er war auch nicht hässlich. Als sie sich zu ihm vorgebeugt hatte, hatte sie undeutlich die Narbe auf seiner linken Gesichtshälfte wahrgenommen. Aber auf sie hatte die Verwundung weder ekelhaft noch abstoßend gewirkt, zumal seine andere Gesichtshälfte makellos war. Nein, sie fand ihn überaus anziehend.
    Aber das behielt Clarissa wohlweislich für sich, denn es ging ihre Stiefmutter einen feuchten Kehricht an.

4
    Clarissa betrachtete das nebelhaft bunte Treiben im Ballsaal und seufzte hörbar. Seit dem Ball bei den De Morriseys, wo sie den Earl of Mowbray kennengelernt hatte, war eine Woche vergangen. Bloß eine Woche, sann sie, ihr kam es schon viel länger vor. Das Leben ging
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