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Lichtjahreweit

Lichtjahreweit

Titel: Lichtjahreweit
Autoren: Thomas Ziegler
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Ladendiebs die Chance bot, ungehindert die Spiraltreppe zu den Verwaltungsbüros hochzuschleichen.
    Bei jenem Ladendieb handelte es sich zum Erstaunen aller Beteiligten um den unheilbaren Kleptomanen Adolph Joseph Meiersbruck, Direktor der Blubo- GmbH & Co. KG und Duzfreund des anderen Ortes verstorbenen Fast-Food- Referenten Elmar Hintermstein. Die Entlarvung Meiersbrucks führte zu einem publizistischen Aufschrei in der Regierungszeitung Erwachet! und einer außerordentlichen Sitzung des Parlamentarischen Gesundheitsausschusses. Über das Ergebnis der Sitzung wurde nichts bekannt, doch wer die Mitglieder des Ausschusses kannte, wußte auch so Bescheid.
    Meiersbrucks Opfergang ermöglichte den beiden Aktivisten der Friedensbewegung, unbeobachtet das Dachgeschoß zu erreichen und in Gerlinde Ohs rundumverglastes PR-Büro einzudringen. Die Blondine hatte die Beine auf den Schreibtisch gelegt und hielt in der Hand eine Milchtüte. Der Geruch einer Hochprozentigen Rum-Cola-Mischung lastete erstickend wie Rauch über dem Zimmer. Schläfrig betrachtete Gerlinde Oh ihr Computerterminal.
    Alf löste seine Blicke vom erotischen Fluoreszenzmuster der Feinstrumpfhose, räusperte sich leise und stellte die umweltfreundliche Jutetasche mit den fünf Flaschen Jamaica-Rum neben dem Videofon auf Gerlindes Schreibtisch.
    Gerlinde Oh spitzte die grüngeschminkten Lippen. »Oh!« machte sie. »Ist das wirklich alles für mich, Alfie?« Sie schielte in die Jutetasche.
    Auf dem Monitor des Terminals erschienen grüne Buchstabenreihen.
     
    WASSERKNAPPHEIT IN NIEDERBAYERN VERSCHÄRFT.
     
    ***
     
    HEUTE FRUCHTSAFT-SONDERANGEBOT IM ERDGESCHOSS VON KAUF + SPAR
     
    »Es ist alles für dich«, versicherte Alf. Nervös sah er sich um. Durch die Rundumverglasung verfolgte er, wie die ersten Angestellten nach dem skandalösen Eklat um Adolph Joseph Meiersbruck wieder in ihre Büros zurückkehrten. »Kann man die Wände nicht undurchsichtig machen?« fragte er Gerlinde Oh.
    »Klar kann Frau das.« Sie zog eine Rumflasche aus der Jutetasche, schraubte den Verschluß auf und goß einen halben Liter Rum in ihre Milchtüte. Dann drückte sie an ihrem Terminal einen Knopf. Von einer Sekunde zur anderen schwärzten sich die Glaswände. Ein Klicken. »Die Türverriegelung«, erklärte die Blondine.
    Alf begann innerlich zu frohlocken.
    Das ist ja phantastisch, wie das alles klappt, dachte er. Hätte ich das doch früher gewußt! Vielleicht wäre dann alles anders gelaufen.
    »Da soll mich doch der Kanzler holen!« entfuhr es Robby. Er stand vor dem Telefax, der leise ratternd die neuesten Nachrichten der in- und ausländischen Presseagenturen auf ein Endlosblatt druckte. »Heilbronn steht unter Quarantäne, Alf!«
    In der Tat war es Onnedecker gelungen, sich aus Liu Changs Apartment und zum bordelleigenen Münzvideofon zu schleichen. Unterwegs platzte die braunschwarze Knolle an seiner Wade auf; Sporenschwärme drifteten durch das Foyer, in dem der Braunhemden-Marsch hallte. Mit zitternden Fingern zog der Genetiker ein Zweimarkstück aus der Geheimtasche im Innenfutter seiner Baumwollunterhose, warf es in den Zahlschlitz und wählte die Nummer seines Heilbronner Gen-Tech-Labors.
    Sekunden später wurde auf dem handtellergroßen Bildschirm der Kopf seines Stellvertreters sichtbar: Ein ehemaliger Süßwarenfabrikant, der sich für eine horrende Summe einen Doktortitel der Universität von Obervolta gekauft hatte. Onnedecker wußte von diesem Betrug, und dieses Wissen war der Grund für den gegenseitigen Haß der beiden Männer.
    Der Vertreter rümpfte die Nase. »Treiben Sie sich wieder in diesem Bordell herum, Kurt?« fragte er peinlich berührt. »In Ihrem fortgeschrittenen Alter sollten Sie …«
    Onnedecker fiel ihm barsch ins Wort. »Reden Sie keinen Unsinn, Knut Schmidt-Meppen. Geben Sie statt dessen Großalarm. Ein Gen-GAU! Heilbronn muß umgehend von der Außenwelt abgeriegelt werden, verstanden? Und alarmieren Sie die ABC-Züge der Bundeswehr und den Notfallstab der Bundesärztekammer.«
    Knut Schmidt-Meppen riß erbleichend die Augen auf. »Heilige Kacke! KMK-37! Ich wußte, daß es eines Tages zu einer Katastrophe kommen würde!«
    So also begann die Große Verknollung.
    In Ruhrstadt, in Gerlinde Ohs geschwärztem PR-Büro, fuhr sich Robby mit den Fingern durch den wirren Haarschopf. Wie hypnotisiert starrte er auf das Endlosblatt des Telefax. »Eine Spore ist aus den Giftküchen der Rayer-Chemie entwichen«, informierte er Alf. »Ein
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