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Lichtjahreweit

Lichtjahreweit

Titel: Lichtjahreweit
Autoren: Thomas Ziegler
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gentechnisch gezüchteter biologischer Kampfstoff, der alle Säugetiere in Knollen verwandelt. Alle Zu- und Ausfahrtsstraßen Heilbronns sind von Einheiten der Bundeswehr und militanten Tierschützern besetzt. Panik. Grauen. Schulfrei für alle Kinder.«
    Das, erkannte Alf fröstelnd, sprengte den traditionellen Rahmen seiner Anti-Atomwaffen-Kampagnen. Da war ihm das Herz gebrochen angesichts des ungeheuren Potentials an Massenvernichtungswaffen auf dem Boden der Republik – und längst schon hatte die moderne Genetik mit ihren faustischen Experimenten eine zweite Büchse der Pandora geöffnet.
    »Gerlinde«, wandte sich Alf an die fluoreszenzbestrumpfte PR-Dame, »wie funktioniert diese verdammte Nachrichtenwand?«
    Gerlinde blinzelte kurzsichtig und nahm einen Schluck aus ihrer Milchtüte. »Ganz einfach«, antwortete sie. »Ich wähle die Meldungen aus und speise sie ein, und der Computer fügt an den verkaufspsychologisch wirksamsten Stellen unsere Werbesprüche hinzu. Da kannste tippen.« Sie klopfte auf die Schreibmaschinentastatur ihres Terminals. »Aber mach ja keinen Scheiß. Wenn man mich feuert, nur weil dich irgendein Hirngespinst plagt, kann ich die dynamische Betriebsrente vergessen. Außerdem wird es schwierig sein, einen Arbeitsplatz zu finden, der mich so abfüllt wie dieser Job.«
    Alf tat ihren Einwand mit einer lässigen Handbewegung ab. »Die Information der Öffentlichkeit hat Vorrang vor kleinkarierten Absatzstrategien für bleihaltigen Grünkohl und wäßriges Schweinefleisch.« Er zog einen Stuhl heran, setzte sich an das Terminal, griff nach der offenen Rumflasche, die er Gerlindes empörtem Gebrabbel zum Trotz zu einem Viertel leerte, und sah dann zu Robby hinüber. »Der Kampf geht weiter. Du textest, ich tippe.«
    In Heilbronn begannen in dieser Sekunde die ersten Plünderungen, sexuellen Orgien und religiösen Exzesse. Die Spore KMK-37 war überall, und sie vermehrte sich. Professor Onnedecker lag zusammengesunken vor dem bordelleigenen Münzvideofon und verknollte. Liu Chang und den übrigen Damen des Etablissements erging es nicht besser. Die Freier taumelten auf die Straße, und ihre nackte Haut war von braunschwarzen Verdickungen übersät. Von Bernie Guthoff gab es keine Spur. Erst später stellte sich heraus, daß er in der nahen Eckkneipe Schutz gesucht und keinen gefunden hatte. Knollig hockte er vor dem Tresen, während ihm ein unbekannter – und auch später nie identifizierter – Trunkenbold eine Literflasche teuren französischen Cognacs über den verknollten Kopf goß.
    Die Ruhrstädter Graswurzel-Revolution nahm indessen ihren Lauf.
    »Jetzt haben wir den Salat«, textete Robby betriebsam, und Alf tippte mit geschmeidigen Fingern. »Jahrelang haben wir zugelassen, daß sich Frankensteinwissenschaftler und Rüstungsgewinnler am Verteidigungsetat gesundstießen. Opfer dieser unheiligen Allianz aus gewerbsmäßigen DNS-Pfuschern und geldgierigen Spekulanten wurde vor wenigen Minuten das idyllische württembergische Städtchen Heilbronn. Trotz der angeblich perfekten Sicherheitsvorkehrungen ist ein biologischer Kampfstoff aus den Heilbronner Laboratorien der Rayer-Chemie entwichen. Die Spore KMK-37 hat die gesamte Bevölkerung zellular verknollt. Atompilze haben den Bonner Politprofis nicht genügt – genetische Knollen mußten her. Die Perversion des Denkens nimmt ungeahnte Ausmaße an. Ein Abgrund tut sich auf. Es wird Zeit, daß sich der Widerstand formiert!«
    Kauf + Spar- Filialleiter Hubert Andreas Galle, der über sein geheimes Zweitterminal die Signale der Nachrichtenwand verfolgte, traf fast der Schlag. Seine Hand, die soeben den After seines Privatsekretärs mit Vaseline einfettete, fuhr hoch und ballte sich zur Faust. »Diese geisteskranke Anarchistin!« brülle Galle – und meinte damit Gerlinde Oh. »Wenn wir hier fertig sind, Klaus, machen wir diese übergeschnappte Emanze zur Sau!«
    Klaus grunzte beifällig, nicht ahnend, daß er Jahre später Opfer eines bedauerlichen, aber niemals auszuschließenden Computerfehlers werden und unter dem Feuer der automatischen Selbstschußanlage des Cronenberger Wohnturms Schwäbisch-Alb ums Leben kommen sollte.
    Ein paar Zimmer weiter sagte Alf anerkennend: »Das war ja genial!«
    Gerlinde Oh hob argwöhnisch den trunkenen Kopf. »Was geht hier vor?« brabbelte sie. »Sabotage? Staatsstreich? Revolution?«
    »Alles geschieht im Namen der Pressefreiheit«, sagte Alf mit einem knappen Lächeln. »Wir müssen die furchtbare
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