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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd
Autoren: Chris Moriarty
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wieder ins Hebräische und sprach mit leiser, aber unüberhörbarer Wut. Arkady versuchte zu verstehen, aber die Worte in der ihm wenig vertrauten Sprache sprudelten zu schnell hervor. Es war allerdings nicht zu überhören, dass er eine Standpauke hielt. Osnat nahm die Schelte mit dem unbewegten Gleichmut eines Soldaten auf einem Exerzierplatz hin.
    War sie eine Soldatin? Hatte er sich bereits so tief in das Netz des israelischen Geheimdienstes verstrickt, dass er es hier mit Regierungsagenten und nicht mit gedungenen Schlägern zu tun hatte? Wenn ja, welcher entlegene Faden des Netzes war durch Arkadys sorgfältig inszenierte Einladung zum Überlaufen in Schwingungen versetzt worden? Und wie sehr hing der Erfolg seiner Mission – und damit Arkashas Freiheit – davon ab, dass er eine zutreffende Vermutung anstellte?
    Was ist, wenn diese Leute für den Mossad arbeiten?
    Die Frage wirbelte ihm durch den Kopf, begleitet von alten Spinvideo-Aufnahmen von Bombardierungen und Attentaten. Er schob die Bilder beiseite. Es waren sicher nicht alle Mossad-Agenten eiskalte Killer, sagte er sich, so wie auf der anderen Seite auch nicht alle Palästinenser die friedliebenden Neomenschen-Sympathisanten waren, die die Syndikatspropagandisten in ihnen sehen wollten. Und solang er Korchow zufriedenstellte, war die Wahrheit nicht wichtig.
    Mosche wandte sich Arkady zu und seine Stimme klang wieder kühl und akademisch. »Hör zu, Arkady. Ich habe nichts gegen dich persönlich. Ich bin kein kleiner Junge, der aus Langeweile Fliegen die Flügel ausreißt. Aber die Straße nach Absalom führt an mir vorbei. Und wenn du mich verärgerst, wenn du mich belügst, wenn du auch nur in eine Richtung blinzelst, die mich nervös macht, werde ich dich umbringen. Die Polizei wird nicht mit der Wimper zucken.
Meine Vorgesetzten werden mir nicht einmal einen Klapps auf die Finger geben. Soweit es sie betrifft, wäre es nicht anders, als ob ich einen Hund umbringe. Noch nicht einmal – wenn es um einen Hund ginge, würde sich immer ein Schlemihl finden, der den nächsten Tierschutzverein einschaltet. Und glaub mir, Arkady, einen Golemschutzverein gibt es nicht.«
    Sie starrten einander an. Arkady schwitzte und schnaufte. Mosche war so ruhig wie vor seinem surrealen Gewaltausbruch. »Erinnerst du dich an meine letzte Frage?«, fragte er.
    »Ob Korchow mir aufgetragen hat, dass ich nach Absalom fragen soll.«
    »Gut.«
    »Aber ich …«
    »Antworte nicht gleich. Du wirst morgen früh aufbrechen. Wir werden uns erst auf der anderen Seite der Blockade wiedersehen. Und die Zwischenzeit solltest du nutzen, um darüber nachzudenken, was Korchow für dich tun kann, wenn du erst einmal auf der Erde bist. Und was ich für dich tun kann.«
     
    Der Frachter war im Stil der, wie Arkady es nannte, Weißen Periode des UN-Sprungschiffdesigns gebaut worden.
    Zehn oder zwölf Jahre lang, im Zuge einer dieser unerklärlichen Moden, war weißes Viruflex in allen entlegenen UN-Kolonien, die ihre ausgemusterten Antriebsschiffe gewohnheitsmäßig an Syndikatshändler verkauften, das beliebteste Material gewesen. Was überhaupt aus Viruflex gefertigt werden konnte, wurde aus Viruflex hergestellt, und wo immer man weißes Viruflex verwenden konnte, verwendete man weißes Viruflex. Weiße Bodenplatten. Weiße Wände. Weiße Belüftungsgitter, weiße Strom-, Wasser- und Spinstromleitungen. Und, in den verblassenden Schatten darüber, weiße Decken mit darin eingesetzten weiß flimmernden Leuchtkörpern.

    Als Osnat ihn durch das Schiff führte, erinnerte sich Arkady mit Gewissensbissen daran, dass er in seinem ersten Gespräch mit Arkasha genau dieses ziemlich dämliche Beispiel für Emergenz verwendet hatte, um zu erklären, wie ein Ameisennest funktionierte. Arkasha hatte sich nicht an der Metapher gestoßen. Und jetzt, konfrontiert mit all diesem erbarmungslosen Weiß, verstand Arkady auch, warum.
    Das ganze Schiff sah aus wie eine Euthanasiestation.
    Es sah aus wie eine Euthanasiestation, deren Patienten sich alle in ihren Zimmern eingeschlossen und ihre tödliche Dosis geschluckt hatten. Er stellte sich kalte weiße Zellen hinter kalten weißen Türen vor, und kalte weiße Betten mit kalten weißen Körpern, deren Gliedmaßen und Gesichter schreckliche Entstellungen zeigten. Oder – schlimmer noch – Körper, deren physische Perfektion auf noch schrecklichere geistige und seelische Entartungen hindeutete.
    Osnat blieb stehen und zupfte an seinem Arm wie ein
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