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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd
Autoren: Chris Moriarty
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über die Erde, Arkady?«
    »Äh … Ich weiß eine Menge über Ameisen.«
    »Toll. Aber bitte sprich mit niemandem. Vor allem nicht mit Amerikanern und Polykonfessionellen. Was nicht so schwer ist, denn meistens treten sie in Personalunion auf. Und da
wir schon bei guten Ratschläge sind, würde ich dir empfehlen, dich in Sachen Absalom etwas zurückzuhalten. Wenn du diesen Namen zu oft fallen lässt, könnte Mosche so verstimmt sein, dass er zu dem Schluss kommt, keine geheimdienstlichen Informationen seien einen solchen Ärger wert.«
    »Wieso?«
    Ihr gesundes Auge starrte ihn ungläubig an.
    »Du weißt nicht einmal, wer Absalom ist«, sagte sie schließlich. »Für dich ist es nur ein Name. Korchow hat dich völlig im Unklaren gelassen, in was du da hineintappst. Ich kann’s wirklich kaum glauben.«
    Er erwiderte nichts, und nachdem sie ihn noch einen unbehaglichen Moment lang angestarrt hatte, brummte sie: »Wie ein Lamm, das man zur Schlachtbank führt«, und verließ die Kabine.
     
    Als Osnat gegangen war, trat Arkady als Erstes ans Bett und untersuchte die Wolldecke. Sie fühlte sich warm an, so als erinnerte sie sich noch an die Wärme des Tieres, von dem sie herstammte. Er fuhr mit der Hand über die raue Oberfläche und spürte die Haare – oder nannte man sie nicht eher Fasern? – die Haut seiner Handfläche kitzeln.
    Er trat ans Waschbecken und füllte sich eine Tasse mit Wasser. Es schmeckte schal, als habe der Wassertanker eine ausgedehnte Tour in Slowtime hinter sich und die Tanks müssten mal wieder geschrubbt werden. Es hatte außerdem einen salzigen, kupferartigen Beigeschmack, der sich als der Geschmack seines eigenen Bluts herausstellte.
    Er wusch sich das Gesicht und rüttelte an seinen Zähnen, bis er sicher war, das sich nichts gelockert hatte. Er war nicht überrascht. Mosche hatte ihn so fachmännisch bearbeitet, dass er trotz aller Schmerzen ein perverses Gefühl von Sicherheit gehabt hatte; wenn er sich einfach unterwarf und liegen blieb, hatte ihm ein Instinkt zugeflüstert, konnte ihm nichts Ernstes passieren. Vielleicht war das der eigentliche
Zweck der Prügel gewesen. Wenn ja, hatte Mosche ihm die Lektion gründlich eingehämmert.
    Arkady beugte sich übers Becken und musterte das Gesicht, das ihn aus dem Spiegel anstarrte. Seit der Ankunft im UN-Raum hatte er sich nicht mehr rasiert, und der schwarze Schatten eines Bartes sammelte sich in den Winkeln und Gruben eines Gesichts, das von der Schwerkraft platt gedrückt wurde. Es ließ ihn hungrig und zerbrechlich erscheinen … und Arkasha bestürzend ähnlich.
    Er bedeckte seine gebrochene Nase und verzerrten Wangenknochen mit einer Hand und betrachtete die Teile seines Gesichts, die nach Korchows grober Arbeit noch erkennbar waren: die dunklen Augen, die Arkashas Augen so ähnlich waren; das fein geschnittene slawische Gesicht, das Arkashas Gesicht so ähnlich sah; die blasse Haut, die Arkashas Haut so ähnlich war.
    Und der zweifelnde Zug um den weichen Mund, der Arkashas Mund niemals auch nur annähernd geähnelt hatte, nicht einmal vor Novalis.
    Er schürzte die Oberlippe zu einem spöttischen halben Lächeln, das immer Arkashas erste Verteidigungslinie gewesen war, und versuchte die Illusion wachzurufen, die ihn im Gang hielt. Es funktionierte nur, wenn man nicht zu viel verlangte. Er konnte sich nicht vorstellen, Arkasha in den Armen zu halten. Das war schlicht und einfach unmöglich. Aber er konnte alle Erinnerungen an seinen Duopartner hervorholen: alle Bewegungen und Momente, denen er nie besondere Aufmerksamkeit gewidmet hatte. Die gespannte Kurve von Arkashas Rücken, als er sich über seine Gewebesonde beugte. Die feingliedrigen Hände, nervös, wenn sie nichts zu tun hatten, aber präzise und geschmeidig, wenn sie die Seiten eine Buches umblätterten, Proben in ein Gerät steckten oder eine Gewebesonde herüberreichten. Eine lebhafte Kombination von Kraft und Zartheit, die Arkady eine Zuneigung entlockt hatte, der er sich nie fähig geglaubt hatte. Manchmal konnte
er sich davon überzeugen, dass das Gesicht im Spiegel echt war und Arkasha sich in Sicherheit befand. Weit weg – vielleicht zu weit weg, als dass er sich Hoffnung machen konnte, sie je wiederzusehen –, aber am Leben, in guter Verfassung und, was am wichtigsten war, glücklich. Es war nicht schwer, es sich vorzustellen. Und es ermöglichte ihm das Einschlafen. Es machte alles möglich.
    Arkady seufzte und ließ die Hand sinken. Er ging durch die Kabine
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