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Lichtjagd

Lichtjagd

Titel: Lichtjagd
Autoren: Chris Moriarty
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Erwachsener, der den Sprössling einer Brutstation durch eine Drucktür dirigierte, und führte ihn in eine zum Glück leere, ganz gewöhnliche Kabine. Ein zerschrammter Viruflex-Stuhl stand neben einem Bett mit kantigen militärischen Ecken. Die Decke auf dem Bett bestand aus Wolle, einem Material, das Arkady selbst in den Geschichtskanälen noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Er konnte es durch den ganzen Raum riechen: ein schwacher animalischer Geruch, zugleich trocken und ölig.
    »Das Badezimmer.« Osnat zeigte mit dem Finger auf alles. »Waschwasser. Trinkwasser. Nicht verwechseln, sonst geht’s dir schlecht. Der Behälter für normale Abfälle. Und hier der Behälter für biologische Schadstoffe. Darunter versteht man alles, was deinen Körper berührt hat, solang du noch mit Keimen aus dem Syndikatsraum verseucht bist. Wenn du etwas brauchst, drück den Knopf neben der Tür. Aber nur, wenn es wirklich wichtig ist. Mosche ist kein geduldiger Mann.« Ihr Blick ging kurz in eine Ecke des winzigen Raums,
und sie runzelte die Stirn. »Tut mir übrigens leid wegen der Ameisen. Ich bringe etwas Insektenspray, wenn ich irgendwo was finde.«
    Arkady folgte ihrem Blick und bemerkte eine kleine Spur bernsteinfarbener Chitinschalen, die er anfangs für einen Riss im laminierten Viruflex-Bodenbelag gehalten hatte. »Pharao-Ameisen«, sagte er, verdutzt über die Entdeckung. »Ist das Schiff befallen?«
    »Wenn’s nur das Schiff wäre. Sie übernehmen das ganze Universum.«
    »Es hat ihnen schon immer gehört.« Auf vertrautem Territorium korrigierte er sie, ohne an Konsequenzen zu denken. »Die Biomasse der Wirbeltiere ist verglichen mit der der Ameisen unerheblich, und das war schon vor dem ökologischen Kollaps der Erde so. Und soweit es die biogeophysikalischen Zyklen betrifft …«
    Er verstummte, als er bemerkte, dass Osnat ihn anstarrte.
    »Das ist doch keine der Selbstmordmissionen der Syndikate oder?«, fragte sie unvermittelt. »Ein … wie nennen sie das … eine Übergabe biologischen Eigentums?«
    »Richtig. Ich meine … ja, so ist die Formulierung. Aber nein, ich glaube, es ist keine.«
    »Du glaubst , es ist keine? Du meinst, sie können dich auf eine tödliche Mission schicken, ohne es dir vorher zu sagen?«
    Von welchen sie sprach sie da eigentlich? Und konnten Menschen immer noch andere in den Tod »schicken«, so wie man einen Boten losschickte? Das war doch wohl unmöglich, selbst auf der Erde. Er hatte sie sicher missverstanden.
    »Was ist mit Novalis?«, hakte sie nach. »War Novalis eine Selbstmordmission?«
    Er erstarrte und zwang sich, einen Herzschlag lang zu warten, bevor er ihr in die Augen sah. Es war das erste Mal, dass jemand den Namen des Planeten ausgesprochen hatte. Und das vertraute Wort aus Osnats Mund zu hören, erinnerte ihn schlagartig daran, dass sie für Mosche arbeitete.
    »Gut«, sagte Osnat nach einer Pause, die so lang dauerte, das ihm die Haut juckte. »Ich habe nur gefragt.«
    »Wie will Mosche mich durch das UN-Technologie-Embargo bringen?«, fragte Arkady.
    »Keine Ahnung. Dafür sind die Amerikaner zuständig. Wir wollten sie eigentlich aus der Sache raushalten, aber auf der Erde ist sonst niemand verrückt genug, um sich mit dem UN-Sicherheitsrat anzulegen.«
    Amerika! Der Name schon verschlug Arkady den Atem. Das Land, in dem John James Audubon die legendären letzten Flüge der Wandertauben beobachtet hatte. Das Land, in dem de Tocqueville durch jungfräuliche Wälder gestreift war, die so dicht waren, dass entwurzelte Eichen im umliegenden Geäst festhingen und zu Staub zerfielen, ohne zuvor die Erde zu berühren. Das Land, das die großen Myrmekologen des Zwanzigsten Jahrhunderts hervorgebracht hatte, von Wheeler und Wilson bis zu Schnierla und Pratt und Gordon. Das Land, dessen Wissenschaftler die ersten zaghaften Schritte hin zu einer Theorie des Terraforming getan hatten … während das Getriebe ihrer Industrie das empfindliche Netz zerriss, ohne das ein Weiterleben des Menschen auf der Erde nicht möglich war.
    »Keine Sorge«, versicherte ihm Osnat, die seinen verstörten Gesichtsausdruck missverstand. »Zu einer direkten Konfrontation wird es nicht kommen. Ich kann nicht ausschließen, dass wir mit einer Horde religiöser Fanatiker aneinandergeraten werden, die dir alle Gliedmaßen einzeln ausreißen, aber es ist jedenfalls nicht eingeplant.«
    »Religiöse Fanatiker? In Amerika?«
    Osnat sah ihn zweifelnd an. »Sag mal, wie viel weißt du eigentlich wirklich
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