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Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga

Titel: Lichtjäger - Die Wintersonnenwende-Saga
Autoren: Susan Cooper
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von einer großen Hitze versengt worden. Lose Stücke waren sorgfältig wieder aneinander gefügt und auf dem äußeren Blatt festgeklebt worden. Aber es war noch so viel übrig geblieben, dass man auf dem unteren Stück eine grobe Skizze unterscheiden konnte, die wie der undeutliche Umriss einer Landkarte aussah.
    Einen Augenblick lang waren sie ganz still.
    Barney sagte nichts, aber er spürte, wie in seinem Innern eine seltsame Erregung zu brodeln anfing. Er beugte sich schweigend vor, strich das Blatt glatt und schob das Holzstück beiseite.
    »Warte«, sagte Simon, »ich hole was, um die Ränder zu beschweren.«
    Sie stellten einen alten Briefbeschwerer, einen Zinnbecher und zwei Holzklötze, die sie sorgfältig abgestaubt hatten, auf die Ecken, rappelten sich dann wieder auf und schauten sich das Blatt an.
    »Es ist schrecklich alt«, sagte Jane. »Hunderte, tausende von Jahren alt.«
    »So wie die Blätter in den Glaskästen im Museum mit den kleinen Vorhängen darüber, die sie vor dem Licht schützen sollen.«
    »Wo mag es hergekommen sein? Und wie ist es hier oben heraufgekommen?«
    »Jemand muss es hier versteckt haben.«
    »Aber es ist älter als das Haus. Ich meine, seht es euch doch an. Es muss älter sein. Die Schrift ist an einigen Stellen fast verblasst.«
    »Es ist nicht versteckt worden«, sagte Barney mit absoluter Überzeugung, obgleich er nicht wusste, woher diese Überzeugung kam. »Jemand hat es nur da hingeworfen, wo ich es gefunden habe.«
    Simon stieß plötzlich einen Triumphschrei aus, der sie zusammenfahren ließ. »Das ist ja fantastisch! Seid ihr euch klar darüber, dass dies hier ein richtiger echter Plan von einem vergrabenen Schatz ist? Er könnte uns zu allem Möglichen führen, zu Geheimgängen, wirklichen verborgenen Höhlen — zum Schatz von Trewissick.« Er rollte dieses Wort liebevoll im Mund herum.
    »Aber es ist kein Plan. Es ist alles geschrieben.«
    »Nun, dann ist es eine Erklärung. Zum Beispiel: Schaut in jenem kleinen Raum auf dem zweiten Stockwerk nach, unter der zweiten Bodendiele zur Linken ...«
    »Als das hier geschrieben wurde, gab es noch keine Bodendielen.«
    »Oh, komm — so alt ist es auch wieder nicht.«
    »Ich glaube doch«, sagte Barney still. »Seht euch doch mal die Schrift an. Ihr könnt sie nicht lesen, es ist eine komische Sprache.«
    »Natürlich kann man das lesen, ohne Probleme. Man muss nur richtig hinschauen«, sagte Simon ungeduldig. In Gedanken schlüpfte er schon durch eine verschiebbare Wandverkleidung und öffnete den Deckel einer Truhe, die unermessliche Schätze enthielt. Er glaubte fast schon, das Klirren der Dublonen zu hören.
    »Lasst uns doch mal schauen.« Er beugte sich vor, die Knie auf den harten und rauen Bodenbrettern, und spähte auf das Manuskript hinunter. Eine lange Pause entstand. »Oh«, sagte er schließlich zögernd.
    Barney sagte nichts, warf ihm aber einen viel sagenden Blick zu.
    »Also gut«, sagte Simon, »du brauchst gar nicht so ein hochmütiges Gesicht zu machen. Es ist kein Englisch. Aber das bedeutet nicht, dass wir nicht herauskriegen werden, was es bedeutet.«
    »Wieso ist es kein Englisch?«
    »Wie in aller Welt soll ich das wissen.«
    »Ich meine«, sagte Barney geduldig, »wir sind doch hier in England, in welcher anderen Sprache könnte es denn möglicherweise sein?«
    »Latein«, sagte Jane ganz überraschend. Sie hatte das Manuskript still über Simons Schulter hinweg betrachtet.
    »Latein?«
    »Ja. Alle alten Manuskripte sind in Latein geschrieben. Die Mönche haben sie mit einer Gänsefeder geschrieben und mit Blumen und Vögeln und so Sachen verziert, die sich alle um den Anfangsbuchstaben herumringeln.«
    »Aber hier ringelt sich überhaupt nichts. Es sieht eher aus, als wäre es in Eile geschrieben. Ich sehe überhaupt keine Großbuchstaben.«
    »Aber warum Latein?«, fragte Barney.
    »Ich weiß nicht, die Mönche haben es jedenfalls immer benutzt, das ist alles. Das war eine Besonderheit von ihnen. Ich vermute, weil es sich so religiös anhört.«
    »Nun, Simon hat doch Latein.«
    »Ja, los, Simon, übersetz mal«, sagte Jane boshaft. Sie hatte in der Schule noch nicht mit Latein angefangen, aber Simon lernte es schon seit zwei Jahren und bildete sich etwas darauf ein.
    »Ich glaube überhaupt nicht, dass es Latein ist«, wehrte sich Simon. Er starrte wieder auf das Manuskript. »Die Schrift ist so komisch, die Buchstaben sehen alle gleich aus. Wie viele kleine gerade Striche in einer Reihe. Das
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