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Lichthaus Kaltgestellt

Lichthaus Kaltgestellt

Titel: Lichthaus Kaltgestellt
Autoren: Paul Walz
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Schweiger wand sich unter der Erinnerung. »Als er fertig war, drohte er mir mit neuen Schlägen. Ich habe es aber nicht ausgehalten und bin zu Mutter. Sie war entsetzt und stellte ihn zur Rede. Im Wohnzimmer. Ich musste rausgehen. Sie würde es ihm geben, sie war doch so stark. Sie würde ihren Sohn verteidigen. Mein Herz war voller Stolz. Und zum ersten Mal liebte ich sie. Ich hörte Gemurmel, dann wurde es ruhig. Plötzlich stöhnte sie auf. Ich wollte hineinlaufen, doch dann begriff ich. Er vögelte sie. Sie kreischte vor Freude und Lust. Dann war es wieder still. Später kam sie in mein Zimmer und war ein einziger lebender Vorwurf. Ich würde ihr Glück zerstören und aus Eifersucht lügen. Hinten in ihren kalten Augen glomm jedoch der Zweifel, ob ich nicht doch die Wahrheit sagte, aber sie drückte ihn weg. Sie hat mich für einen verdammten Fick verkauft. So sind die Frauen! Und dafür strafe ich sie.« Schweiger kehrte in die Gegenwart zurück.
    »Wie ging es weiter?«
    »Was wollen Sie wissen?« Wut gesellte sich in die Stimme. »Wie oft er ihn mir in den Mund gesteckt hat oder in den Arsch? Zu oft, sag ich Ihnen. Zu oft. Ich verlor die Haare und begann zu stottern. Die Lehrer fragten, was los sei. Doch diese Hure, die mich auf die Welt gebracht hat, log sich durch.«
    »Wie sind Sie da rausgekommen?«
    »Ich fand das Buch auf dem Speicher. Eine alte Kiste von Vater. Die Geschichte von Parzival. Ich habe es gelesen und sofort begriffen. Was mit mir passierte, war wie sein Schicksal. Von seiner Mutter für dumm gehalten und mit einem Narrenkostüm versehen, zieht er in die Welt und findet seinen Weg, seine Bestimmung. Gegen alle setzt er sich durch. Ich verstand, ich musste mich wehren. Nicht mehr stillhalten. Erst dann würde ich meinen heiligen Gral finden. Monatelang habe ich gelauert und geschaut, wo ich zuschlagen konnte. Habe auch trainiert. Kraft aufgebaut. Schließlich war es so weit. Dieter ging im Winter, wenn er frei hatte, meistens nach unten in den Keller und arbeitete in seiner Werkstatt. Die von Vater in der Scheune war ihm zu kalt.« Er schnaubte verächtlich.
    »Als er unten war, habe ich am Fuß der Treppe Flaschen mit angebrochenen Hälsen hingestellt. Angefeilt hatte ich sie. Dann rief ich ihn ans Telefon. Er kam und drückte sich verwundert an den Flaschen vorbei. Ich sehe ihn noch vor mir. Jeans und Sweatshirt, dunkelblau mit einem University-of-Columbia-Aufdruck. Er hat mich erst bemerkt, als er fast oben war. Dumm war er nicht, hat sofort begriffen, was abging. Du kleine Sau, willst mir was antun. Na warte!, hat er geschrien. Ich trat ihm ins Gesicht und er schwankte, noch einen Tritt, mitten rein in die Fresse, und endlich fiel er, wie ich es gehofft hatte. Drehte sich in der Luft und landete mitten in den Scherben. Er schrie furchtbar. Der Schmerz muss irrsinnig gewesen sein, als die Flaschen ihn durchbohrten. Welch eine Musik. Kraftvoll wie Wagner, nur tausendmal schöner.« Auf Schweigers Stirn glänzten Schweißperlen. Die Augen geschlossen lauschte er der Symphonie aus der Vergangenheit.
    »Und dann?« Erzähl, du irres Schwein. Lichthaus hatte den zweiten Knoten gelöst.
    »Er schrie und schrie.« Die Augen geschlossen genoss er die Bilder, die in seinem Hirn flimmerten. Er schien stolz zu sein, erstmals seine Taten verkünden zu können. »Sein Bauch war aufgeschlitzt, und er blutete stark. Anfangs brüllte er mich an, drohte, dann flehte er darum, dass ich den Notarzt rufe. Aber nicht lange und er lag da, schaute mich an, während sein Herz jedes Leben aus ihm herauspumpte. Ich bekam meine erste Erektion und starrte nur auf den Toten. Es dauerte lange, bis ich diese Augenweide abgegrast hatte. Die Erektion blieb. Das war so geil. Dann bin ich weg. Musste mich befriedigen. Im Wald. Spielen behauptete ich, als sie mich befragten. Betroffene Mienen über das furchtbare Unglück. Eine Sau geschlachtet, dachte ich mir. Mutter hat das nie verwunden. Sie hat mich auf ein Internat gesteckt. In den Sommerferien, als ich sechzehn war, habe ich sie dann vergiftet. Wir hatten in Biologie gelernt, wie Rattengift wirkt. Es zerfrisst dich von innen heraus. Löst die Organe auf. Ich hatte es in eine Dose gefüllt, in der sie ein schlecht schmeckendes Vitaminpulver aufbewahrte. Das rührte sie immer in den Tee. Eine schreckliche Verwechselung.« Er lachte erneut, doch klang es wie ein Klagen. »Nur schade, dass ich nicht dabei war.«
    »Wieso haben Sie später weitergemacht? Sie hatten doch
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