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Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg

Titel: Lichtfaenger 2 - Bruderkrieg
Autoren: Kuehnemann Nadine
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im Dunkeln tappen, wenn sie am nächsten Tag die Spuren dieses grausamen Kampfes entdeckte.
    Plötzlich tauchte Cryson wieder in Jils Sichtfeld auf. Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus. Er war mit Blut besudelt, an seinem Hals klaffte eine triefende Wunde. Er rannte auf Ray zu, der ihm den Rücken zuwandte und nichts von der nahenden Gefahr zu ahnen schien. Cryson stapfte über die Toten und Verwundeten hinweg, als seien sie nichts weiter als Dreck unter seinen Füßen. Er nahm eine Waffe vom Boden auf, die weder einem Schwert noch einer Pistole ähnelte. Sie war länglich und hatte einen Griff, dies waren aber auch schon die einzigen Ähnlichkeiten. Zahnräder unterschiedlicher Größe reihten sich hintereinander an der Außenseite auf. Cryson betätigte einen Hebel, vermutlich spannte er den Mechanismus. Das Geräusch veranlasste Ray dazu, in einer ruckartigen Bewegung herumzufahren. Seine Hand schnellte hervor und griff Cryson an die Kehle. Entsetzt schnappte Jil nach Luft. Um die beiden herum tobte der Kampf noch immer, doch ihre ganze Aufmerksamkeit galt diesen beiden Männern. Cryson ließ vor Schreck die Waffe fallen, ein Schuss löste sich. Ein länglicher Bolzen schoss aus dem Lauf hervor und traf einen der Sedharym unbeabsichtigt ins Bein. Jil vernahm ein Aufheulen, doch sie hatte keinen Blick für den Verwundeten.
    Jil sah die Szene in unnatürlicher Langsamkeit vor sich ablaufen. Sie blickte in die Gesichter der Männer, Zorn sprühte aus ihren gelb glühenden Augen. Crysons Zopf hatte sich gelöst, die schwarzen Haare hingen ihm ins Gesicht wie ein Vorhang. Es war ein Kampf zweier ungleicher Männer: Ray, der ungehobelte Rohling, dessen vernarbtes Gesicht ihn wie eine Gestalt aus einem Horrormärchen erscheinen ließ, und Cryson, der gutaussehende und wohlhabende Gentleman.
    Mit einer eisernen Umklammerung hielt Ray die Hand um Crysons Hals geschlungen. Cryson stolperte rückwärts über den abgeschlagenen Arm eines Toten. Ray drückte ihn zu Boden, bis er bäuchlings über ihm lag. Ray machte Cryson mit seinem massigen Körper bewegungsunfähig. Jil wollte schreien, doch ihre Kehle fühlte sich wie zugeschnürt an. Sie allein trug die Schuld an diesem Desaster. Sie hätte sich mehr anstrengen müssen, um das Sedhiassa zu finden und den Vartyden das Handwerk zu legen. Mit einem Mal hatte sie nun gar nicht mehr das Gefühl, an diesem Krieg nicht beteiligt zu sein. Sie war untrennbar damit verbunden.
    Cryson umfasste mit beiden Händen Rays Handgelenk und versuchte, seinem Würgegriff zu entkommen. Keiner der umliegenden Sedharym kam ihm zu Hilfe. Sie waren alle selbst  darum bemüht, sich ihrer Gegner zu erwehren.
    Cryson stieß einen unartikulierten Laut aus, er schnappte röchelnd nach Luft. Dann schlug er mit den Fäusten auf Ray ein, doch dieser blieb unnachgiebig. Das Blut an Crysons Hals wirkte wie ein Schmiermittel, er schaffte es schließlich, sich unter Ray zu winden wie ein Aal und seinen todbringenden Griff zu lockern. Er schien seine Schmerzen mit Wut zu ersticken, denn plötzlich stieß er Rays massigen Körper in seiner Raserei von sich herunter und ging seinerseits zum Angriff über. Krachend schlug er Ray seine Stirn ins Gesicht, sofort quoll Blut aus der Platzwunde hervor. Ray blieb zunächst benebelt auf seinem Hinterteil sitzen, bevor er zur Seite kippte und sich nicht mehr bewegte. Cryson zog einem der Toten eine Pistole aus dem Halfter. Jil beobachtete, wie Cryson die Waffe auf Rays Oberkörper richtete und abdrückte. Ray zuckte einmal kurz zusammen, dann entspannten sich seine Muskeln. Er sackte in sich zusammen.
    Während Jil noch gegen das Grauen und die Fassungslosigkeit ankämpfte, riefen die Sedharym nach Verstärkung. Immer mehr Sedharym strömten in den Stadtpark. Schließlich waren sie in der Überzahl und drängten die Vartyden immer weiter zurück. Jemand brüllte: »Rückzug! Rückzug!« und in Windeseile stoben die Vartyden auseinander und waren verschwanden lautlos wie Schatten wieder zwischen den Bäumen. Die Jubelrufe der Sedharym drangen nur noch in einen Winkel von Jils Bewusstsein vor, denn sie war erschöpft, schwitzte und zitterte als wäre sie selbst am Kampfgeschehen beteiligt gewesen.
    »Wo ist Jil? Wo ist das Mädchen?«, rief jemand. Jil hob den Kopf, gab jedoch keinen Laut von sich.
    Sie sah Cryson, der wie besessen umher rannte und die Gebüsche durchsuchte.
    »Jil! Jil, wo bist du?«, rief er. Verzweiflung lag in seiner Stimme. Jil rührte sich nicht.
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