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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte
Autoren: Kuehnemann Nadine
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Leben je gelangt, obwohl dies sicher keine Schande war. Man bewachte die Insel pedantisch, und Jil kannte niemanden, der je dort gewesen war. Man erzählte sich, dass die Behausungen dort durchweg über elektrischen Strom verfügten, beinahe jeder Einwohner besaß ein Automobil.
    Jil riss ihren Blick von der Insel los und seufzte. Sie erschrak, denn als sie sich umdrehte, stand Firio direkt hinter hier.
    »Hallo Jil, ich wollte dich nicht erschrecken.« Er strahlte sie freundlich an, sein bunter Anzug leuchtete in der Sonne.
    »Firio, das hast du aber.« Jils Miene hellte sich auf. Firio grinste und ein Satz strahlend weißer Zähne lugte durch seinen dichten Bart hervor.
    »Wie siehst du denn aus?« Firio musterte sie von oben bis unten. »Für wen hast du dir die Haare gekämmt und ein Kleid angezogen?« Er stieß sie freundschaftlich in die Seite.
    »Ich wollte mit meiner Schwester auf dem Markt Kerzen verkaufen, aber ich habe mich schrecklich gelangweilt dort.«
    »Ach Jil, du hast doch ganz andere Talente. Lass uns etwas musizieren gehen. Ich kenne einen tollen Platz.«
    Firio klemmte sich sein Akkordeon unter den Arm und ging beschwingt die Straße zurück ins Innere der Stadt. Jil folgte ihm achselzuckend. Sie hatten sich tagelang nicht gesehen, aber Firio fragte niemals nach ihr, auch fragte Jil niemals nach seinem Verbleib oder Befinden. Es war eine so unbefangene Freundschaft, die sie nicht mit lästigen Fragen beschatteten. Firio war Straßenmusiker, aber für Jil war er ein Lebenskünstler. Er nahm die Dinge, wie sie waren. Jil wusste nicht einmal wie alt er war, aber sie schätzte ihn auf Mitte dreißig. Seit zwei Jahren verbrachte sie häufig Zeit mit ihm.
    Er bog in eine kleine Gasse ein, deren Ende direkt in die große Hauptstraße mündete. An der Ecke befand sich eine Bibliothek, und direkt davor blieb Firio stehen.
    »Hier haben die Menschen noch einen Sinn für die Kunst«, sagte er und begann sogleich damit, ein Lied auf seinem Akkordeon anzustimmen. Jil hätte sich gern mit ihm unterhalten, aber Firio war so unbeständig wie das Wetter im April. Selten konnte man ihn zu einer ernsthaften Diskussion bewegen, aber wenn es diese Momente einmal gab, bemerkte Jil, wie intelligent und gebildet er war. Sie fragte sich, wann er sich für dieses Leben entschieden hatte. Sie wusste, dass er allein in einer kleinen Scheune wohnte. Die Musik war alles, was er hatte und auch sein einziger Verdienst.
    Die ersten Menschen warfen Firio einige Münzen vor die Füße. Er bedankte sich und schenkte den Leuten ein strahlendes Lächeln. Ihn interessierte nicht, wie jemand aussah oder woher er kam, das imponierte Jil am meisten.
    Als er sein erstes Lied beendet hatte, wandte er sich an Jil. »Möchtest du nicht zu meinen Liedern singen? Du möchtest doch sicher auch etwas verdienen.«
    »Ach Firio, ich kann nicht gut singen.«
    »Na und? Ich kann auch nicht gut Akkordeon spielen.« Er zwinkerte ihr zu.
    Schließlich ließ Jil sich doch noch dazu hinreißen, das eine oder andere Lied mit ihm anzustimmen. Erst als die Schatten bereits länger wurden, verabschiedeten sie sich voneinander. Jil hatte genügend Geld verdient, um die umgestoßene Milch zu ersetzen, sogar für einen Butterkuchen müsste es reichen. Sie trat den Heimweg an und fragte sich, wie viel Geld Dana wohl verdient haben mochte.
    Wahrscheinlich versäuft unser Vater das Geld ohnehin, wenn er es in seine Finger bekommt .
     
    *****
     
    »Du könntest zur Abwechslung ein freundlicheres Gesicht machen«, sagte Dana und biss in eine Scheibe Brot. Jil rührte gedankenverloren in einer lauwarmen Tasse Tee. Den anderen Arm benutzte sie, um ihren Kopf zu stützen. Sie hang mit dem Oberkörper halb auf der Tischplatte. Es war Sonntag, trotzdem war Jil heute Morgen schon früh aus dem Bett gefallen, weil Dana laut mit dem Geschirr geklappert hatte. Der Vater lag noch immer auf dem Sofa in der Stube, er hatte die halbe Nacht in einer Kneipe verbracht.
    »Mir ist heute nicht nach freundlich schauen«, knurrte Jil. »Ich habe mich mit kaltem Wasser gewaschen, wie sollte ich da gut gelaunt sein?«
    Dana schüttelte missbilligend den Kopf. »Das bist du doch selbst schuld. Das Feuer im Ofen brennt, du hättest dir Wasser heiß machen können.«
    Jil schnaubte verächtlich. »Noch früher aufstehen?« Ein scheußlicher Gedanke.
    Dana zuckte nur mit den Achseln. Sie stand vom Tisch auf, sammelte Besteck und Geschirr ein und verstaute alles in der kleinen Zinkwannne
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