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Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte

Titel: Lichtfaenger 01 - Die Auserwaehlte
Autoren: Kuehnemann Nadine
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sie auf Leswards Befehl.
    Ein spitzer Schrei drang aus dem Inneren der Halle. Danach rumpelte es. Rays Herzschlag beschleunigte sich, Schweiß trat auf seine Stirn. Lesward saß noch immer regungslos neben ihm, die Beine über die Dachkante baumelnd. Als es abermals rumpelte und jemand hustete, hielt es Ray auf seinem Posten nicht mehr aus. Er stieß sich von der Mauer ab und landete beinahe lautlos auf dem Bürgersteig.
    »Ray, bist du verrückt? Komm sofort wieder her«, krächzte Lesward mit gedämpfter Stimme. Ray ignorierte ihn. Er tastete nach den beiden Säbeln, die an seinem Gürtel baumelten und schlich auf das zerbrochene Fenster der Halle zu. Die Reste der Fensterscheiben waren staubblind. Ray spähte durch das Loch. Eine kleine Laterne stand in einiger Entfernung auf dem Boden der Halle. Einer der Sedharym hatte den Arm um die Schultern einer Frau gelegt, ein anderer lieferte sich ein Gerangel mit einem der jungen Burschen.
    Rays empfindliche Ohren vernahmen einen leisen Pfiff hinter ihm. Blitzartig drehte er sich um, konnte aber nichts sehen.
    »Hier oben«, flüsterte eine Stimme.
    In einer der Pappeln hockte sein Vater auf einem Ast. Auch seine Augen glühten gelblich. »Was machst du da unten? Willst du uns verraten?« Er zog die Augenbrauen verärgert zusammen.
    Ray schüttelte den Kopf. »Ich kann das einfach nicht mit ansehen.« Er wandte sich ab und machte sich daran, die Halle durch das zerbrochene Fenster zu betreten. Hinter ihm verspürte er einen Luftzug, dann lag eine Hand auf seiner Schulter. Sein Vater war ihm gefolgt. »Du gehst dort nicht alleine hinein. Ray, wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du vorsichtiger sein musst. Deine Starrköpfigkeit wird dich eines Tages umbringen.«
    Ray ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Sein Vater stieß nur ein kurzes Knurren aus, zog ein Klappmesser aus seiner Tasche und folgte ihm.
    Die Halle war groß, und bis auf ein paar Fässer und Kisten, die überall verteilt herum standen, auch vollkommen leer. Ray zog seine Säbel und stürzte sich wütend auf den Sedhar, der die Frau belästigte. Sie kreischte, als sie die Waffen sah. Als sie Ray erblickten, machten zwei der drei Sedharym einen unmenschlich hohen Satz, hangelten an der Deckenkonstruktion entlang, traten ein weiteres Fenster ein und schwangen sich nach draußen. Ray versuchte nicht, ihnen zu folgen. Er war sich sicher, dass Lesward sich um sie kümmern würde.
    Ray griff nach dem Arm des verbliebenen Sedhars. Zu seiner Überraschung schien sich dieser nicht einmal wehren zu wollen. Stattdessen zeigte er ihm ein breites Grinsen. Einer der jungen Menschenmänner rannte panisch zum Ausgang, stieß auf seinem Weg aber eines der Fässer um. Sofort stieg Ray der Geruch von Schwarzpulver in die Nase.
    »Pass auf!« Die Stimme seines Vaters klang angstverzerrt. Ray hatte ihn niemals panisch erlebt. Der Sedhar, der bis dahin immer noch die junge Frau festgehalten hatte, ließ sie los und griff mit der freien Hand in die Innentasche seiner Jacke. Ray erwartete, dass er einen Revolver zog, deshalb holte er mit seinem Säbel aus. Noch während sich die Klinge in den Hals des Sedhars bohrte, erkannte Ray, dass er keine Waffe, sondern ein kleines Gefäß in der Hand gehalten hatte. Die Szene spielte sich in unendlicher Langsamkeit vor Rays Augen ab. Er hörte, wie sein Vater hinter ihm schrie: »Komm da weg!«
    Es war zu spät. Das kleine Glasgefäß fiel zu Boden. Erst jetzt begriff Ray, was geschehen war. Der Sedhar hatte die Krieger in eine Falle gelockt, und Ray war geradewegs hinein getappt.
    Das nächste, an das er sich erinnerte, waren die gewaltigen Schmerzen in seinem Gesicht und seiner linken Brustseite. Er riss die Augen auf. Er wusste nicht, wie er an die Kaimauer geraten war, aber direkt neben ihm schlugen die Wellen gegen das Ufer. Ein entsetzlicher Pfeifton in seinem Kopf übertönte jedes andere Geräusch. Er schmeckte sein eigenes Blut auf der Zunge. Als er den Kopf drehte, klaffte dort, wo sich die Lagerhalle befunden hatte, ein Loch in der Häuserreihe. Plötzlich dämmerte ihm, was geschehen war. Der Sprengstoff hatte ihm den Körper zefetzt. Der letzte Gedanke, bevor die erlösende Ohnmacht in einhüllte, galt seinem Vater.

Kapitel 1
     
    50 Jahre später
     
    Sie wollte ihn töten. Ja, sie verspürte den wahrhaftigen Drang, hinaus zu gehen und ihm das Genick zu brechen. Jeden Morgen dasselbe Theater! Dieser grausame Lärm, der auf ihre Nerven einhackte, weckte
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