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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman
Autoren: Jakob Ejersbob
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eingehüllt in bunte Stoffe, die aussehen wie die Kleidung des schwarzen Hausmädchens. Katriina sitzt neben Vater. Sie greift nach seiner Hand.
    »Ich freue mich, dass deine Frau mit eurer kleinen Tochter kommt«, sagt sie.
    »Wieso?«, fragt Vater.
    »Weil ich auch schwanger bin«, antwortet Katriina. Tita seufzt und sieht traurig aus. Sie blickt zu Boden. Ich schaue ihren Mann an, Asko. Er verzieht mürrisch das Gesicht. Vielleicht wäre sie auch gern schwanger.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagt Vater. »Wann fliegst du zurück nach Schweden?«
    »Ich bekomme es im KCMC «, erwidert Katriina. »Dort gibt es viele weiße Ärzte.«
    Asko und Jonas unterhalten sich auf Schwedisch. Tita sagt kein Wort. Ich schaue Jonas an. Er stopft sich Snus hinter die Oberlippe, verschiebt es mit der Zunge und richtet seinen Blick auf irgendetwas in der Dunkelheit. Ich wende den Kopf und folge seinem Blick. Es ist das Hausmädchen. Sie steht vornübergebeugt an der Ecke des Hauses und scheuert einen der Grillroste; dabei streckt sie den Hintern heraus, der bei ihren Bewegungen mitwippt.
    »Was schaust du dir denn da an?«, fragt Vater und grinst. »Findest du sie hübsch?«
    »Ich weiß nicht.« Ich sage nicht, dass ich mir nur angesehen habe, was Jonas sich angesehen hat, sondern stehe auf und gehe in den Garten.
    »Wo willst du hin?«, erkundigt sich Vater.
    »Ich will mich nur ein bisschen umsehen.«
    »Komm mir nicht abhanden.«
Marcus
    MEIN MZUNGU
    Alle wazungu sind nackt in die Sauna gegangen – ein großes Theater von rosa Fleisch. Katriina kommt ins Haus.
    »Marcus, putzt du bitte Solja die Zähne?«
    »Mach ich.« Katriina geht wieder zu dem Saunafest.
    »Aber Mama soll das machen«, sagt Solja, die acht Jahre alt ist – eigentlich groß genug, um sich selbst die Zähne zu putzen. Hinterher geht sie in ihr Zimmer. Und ruft sofort: »Ich kann meinen Schlafanzug nicht finden.«
    Ich gehe ins Zimmer. Der Schlafanzug ist im Schrank, direkt vor ihrer Nase, aber das Kind fordert Aufmerksamkeit, also muss der Neger springen. Solja zieht sich ihren Schlafanzug an.
    »Gute Nacht«, wünsche ich und will gehen.
    »Ich kann nicht schlafen, Marcus«, sagt sie. »Sie sind so laut.« Das stimmt, denn nun sitzen sie auf der kleinen Holzterrasse und reden, trinken, schreien. »Kann ich unten bei dir schlafen?«
    »Nein, das geht nicht.« Wie wird bwana Jonas reagieren, wenn Solja in meinem Ghetto schläft? Ich glaube, er will, dass Weiße und Schwarze getrennt bleiben. Ich gehe ans Bett und hebe die Bettdecke hoch, damit sie sich hinlegt, dann streiche ich ihr übers Haar.
    »Du musst mir eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen.«
    »Okay.« Ich lege mich neben sie ins Bett, und sie legt ihren Kopf an meine Schulter. Was kann ich erzählen? Vom Marabustorch in der Serengeti? Von der Sklavenarbeit für den Pastor? Vom Stock des Lehrers in der Schule? Nein, ich muss mir eine andere Geschichte ausdenken.
    »Erzähl schon«, sagt Solja neben mir im Bett. Also erzähle ich ihr von Bob Marley: dass sein Vater ein Weißer war, der sich ziemlich schnell aus dem Staub gemacht hat, dass die Mutter schwarz war und Bob in Armut aufwuchs, nach Kingston in Jamaica kam und über die Freiheit gesungen hat. Leise singe ich: »Won’t you help to sing, these songs of freedom, ’cause all I ever had, redemption songs.«
    »Das ist ein schönes Lied«, murmelt Solja. Ich erzähle ihr von den Nachkommen der afrikanischen Sklaven auf Jamaica und deren Rastafari-Religion. Gott nennen sie Jah, eine Abkürzung von Jehova aus der Bibel. Die Religion wurde nach dem äthiopischen Kaiser Haile Selassie benannt, dessen Taufname Ras Tafari war. Sie betrachten den Kaiser als Gottes Inkarnation auf Erden, weil Haile Selassie das Oberhaupt des einzigen afrikanischen Staats gewesen ist, der vollkommen unabhängig von den Weißen war. Die Rastafari akzeptieren den Tod von Haile Selassie nicht.
    Solja atmet ruhig, aber noch ist es zu früh, sich zu bewegen, sie könnte aufwachen. Dieses kleine Mädchen ist sehr wichtig, ich muss auf sie aufpassen.
    Mein erster mzungu ist Gerhard aus Deutschland gewesen, seine Eltern erforschten Wildtiere. Wir wohnten in Seronera, und alle Kinder spielten zusammen, schwarze und weiße. Gerhard ist wie ich, bis auf die Haut. Seine Haut ist hinter Turnschuhen, blauen Jeans und einer Jeansjacke so gut wie unsichtbar. Meine Haut ist draußen. Ich habe nur alte Schulshorts und ein zerschlissenes T-Shirt, das ich von Gerhard geerbt habe und das
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