Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman
Autoren: Jakob Ejersbob
Vom Netzwerk:
diesen Schweden erzählt, ich hätte keine Eltern – sie sind durch eine Krankheit und einen Verkehrsunfall gestorben. Es ist sicherer zu lügen; vielleicht verstehen die Weißen nicht, dass Eltern so schlecht sein können, dass es besser ist, wenn sie tot sind.
    Am Tor hupt ein Auto, der Wachmann läuft hin. Katriina kommt mit bwana Knudsen und seinem Sohn. Er ist so groß wie ich und sehr still; nicht dieser wilde Blick wie bei Mika, der in die Stadt gegangen ist, angeblich, um ins Kino zu gehen. Dieser dänische Junge ähnelt meinem deutschen Freund aus der Kinderzeit in der Serengeti, Gerhard.
    Ich rufe das Hausmädchen aus der Dienstbotenwohnung, dem Ghetto, das wir uns teilen. Sie soll mir in der Küche helfen, damit die Weißen essen können. Ich lege mehr Fleisch auf den Grill und trage Getränke auf die Veranda.
    »Cola?«, frage ich bwana Knudsens Sohn und reiche ihm eine Flasche.
Christian
    Katriinas Mann heißt Jonas. Er sitzt mit Asko, einem dicken Finnen, und seiner kleinen Frau Tita auf der Veranda. Sie unterhalten sich in einer merkwürdigen Sprache, von der ich überhaupt nichts begreife.
    »Verstehst du, was wir sagen?«, fragt Katriina mich langsam auf Schwedisch. Ich schüttele den Kopf.
    »Schwedisch mit finnischem Akzent«, erklärt Vater und lacht. Ein junger schwarzer Bursche taucht auf der Veranda auf, reicht mir eine Cola und geht wieder.
    »Ist das euer neues Kindermädchen?«, erkundigt sich Vater.
    »Keine Ahnung, was er ist«, antwortet Jonas.
    »Sag doch nicht so etwas«, widerspricht Katriina. »Marcus ist sehr hilfsbereit und bekommt lediglich Kost und Logis.«
    »Und Schulgeld«, murmelt Jonas.
    »Das ist Kleingeld«, erwidert Katriina.
    »Marcus ist mein Freund«, sagt ein kleines Mädchen, das in der Verandatür erschienen ist – Solja.
    Kurz darauf bringen Marcus und ein schwarzes Mädchen das Essen. Das schwarze Mädchen ist jung und sagt kein Wort, sie hat sich ein farbenprächtiges Stück dünnen Stoff umgebunden. Wir essen auf der Veranda, mit den Tellern auf dem Schoß. Die Erwachsenen trinken Bier und rauchen Zigaretten. Die Zikaden singen, Fledermäuse fliegen durch die Luft.
    »Die Sauna ist bereit«, erklärt Katriina. Alle reden und lächeln, als sie sich erheben – auch Vater. Sie gehen ins Wohnzimmer.
    »Sauna?«, frage ich Vater.
    »Schweden und Finnen müssen immer in die Sauna. Komm mit.«
    »Ich will nicht in die Sauna«, sage ich und bleibe sitzen. Er schaut mich einen Moment an. Auf der dunklen Veranda kann ich seinen Blick nicht deuten.
    »Okay«, sagt er und geht den anderen nach. Solja ist verschwunden, vielleicht hat man sie ins Bett gebracht. Ich schaue ins Wohnzimmer. Sie ziehen sich aus. Ich sehe Askos Pimmel unter dem gewaltigen Bauch und schaue weg. Bizarr. Ich sehe wieder hin. Vater bindet sich ein Handtuch um und geht zur Sauna, die an die Rückseite des Hauses gebaut ist. Was hat Vater wohl in den fünf Jahren gemacht, in denen er ohne Mutter in Fernost eingesetzt war? Ist er früh zu Bett gegangen?
    Asko hat seine Zigaretten auf dem Tisch liegen lassen. Ich habe letztes Jahr angefangen zu rauchen, mit ein paar anderen, die sich vom Rest der Klasse absondern wollten. Ich schaffe es, nachts um drei aufzuwachen. Dann schleiche ich zum Kaufmann, werfe ein paar Münzen in den Automaten, der vor dem Laden hängt, und ziehe eine Zehnerpackung Prince. Wenn der Schacht offen ist, sind meine Hände gerade schmal genug, um die Finger hineinzustecken und die nächste Packung zu fassen und herauszuziehen; ich kann eine ganze Säule zum Preis von einer Schachtel bekommen. Vielmehr, ich konnte es. Ich habe keine Ahnung, wo man hier Zigaretten herbekommt. Askos Zigaretten heißen Sportsman. Es ist ruhig – alle sind in der Sauna. Soll ich mir eine nehmen? Ich traue mich nicht. Ich wünschte, Mutter wäre hier.
    Vor einem Jahr waren meine Eltern kurz davor, sich scheiden zu lassen. Eines Abends kam meine Mutter noch spät in mein Zimmer, ich lag bereits im Bett. Als sie dachte, ich würde schlafen, hatte es am Telefon jede Menge Streit mit Vater in Singapur gegeben. Mutter setzte sich zu mir auf die Bettkante.
    »Christian, ich muss etwas Ernstes mit dir besprechen«, hatte sie gesagt.
    »Wollt ihr euch scheiden lassen?«
    »Nein«, sagte Mutter und sah mich an, doch dann wandte sie den Blick ab, hielt sich eine Hand vor den Mund, schluckte. »Nein«, sagte sie noch einmal. Ich wusste, sie wollten sich scheiden lassen.
    »Wo soll ich dann wohnen?«
    »Wir werden
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher