Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman
Autoren: Jakob Ejersbob
Vom Netzwerk:
uns nicht scheiden lassen – ich bin schwanger«, sagte Mutter und lächelte so eigenartig. Als mein Vater irgendwann einmal betrunken war, hatte er zu mir gesagt, bei deiner Mutter sind die Leitungen nicht in Ordnung. Sie kann nicht mehr schwanger werden.
    »Schwanger?«
    »Ja, du bekommst einen kleinen Bruder oder eine kleine Schwester.«
    »Kommt Vater nach Hause? Und wohnt hier?«
    »Ganz bestimmt«, versprach Mutter.
    »Okay.«
    »Freust du dich denn nicht?«, wollte sie wissen.
    »Doch«, erwiderte ich. Vater würde zurück nach Køge kommen und für Mærsk an der Esplanade in Kopenhagen arbeiten. So war der Plan. Ich wollte es erst einmal sehen.
    Mutter organisierte ein Fest für den Tag, an dem er landen sollte. Am Tag zuvor höre ich sie ins Telefon schreien: »Wir sind geschieden. Schon seit Langem. Wenn du nicht mit uns zusammen sein willst, verkaufe ich das Haus und schicke dir die Hälfte des Geldes. Ich habe einfach keine Lust mehr.« Dann eine Pause – in Singapur erwidert Vater etwas, während ich meine Tür rasch einen Spalt weit öffne. Nun redet Mutter wieder, ganz ruhig: »Entweder du erscheinst, oder ich bin fertig mit dir.« Sie legt auf und kommt zu mir herein, um Gute Nacht zu sagen. Ich frage erst, als sie das Zimmer verlässt:
    »Kommt Vater nicht zu dem Fest morgen Abend?«
    Sie bleibt stehen und dreht sich um.
    »Ich weiß es nicht«, sagt sie und geht. Kurz darauf höre ich, wie sie das Auto anlässt. Als ich zwölf Jahre alt war, begann sie mit den Nachtwachen; ich kann durchaus allein zu Hause bleiben. Ich stehe auf, gehe vor die Tür und rauche eine Zigarette. Dann blättere ich in dem Heft am Telefon. Taste die vielen Ziffern ein.
    »Knudsen speaking«, knistert es aus Singapur.
    »Vater?«
    »Christian! Weißt du, wie spät es hier ist?«
    »Kommst du nach Hause?«
    »Wo ist Mutter?«, will er wissen.
    »Arbeiten«, sage ich. Er seufzt.
    »Es ist etwas dazwischengekommen. Ich kann erst in ein paar Tagen fliegen. Es tut mir leid, Christian.«
    »Nein«, sage ich.
    »Christian. Deine Mutter ist …« Er hält inne.
    »Du hast gesagt, du würdest kommen.«
    »Das lässt sich nicht machen.«
    »Aber …«
    »Ich komme, so schnell es geht.«
    »Wiedersehen«, sage ich und lege auf. Meine Hand zittert.
    Am nächsten Tag veranstaltete Mutter das Fest. Sie tanzte mit einem groß gewachsenen Arzt – ich hasste sie deshalb. Vater trat in die Tür. Ich schaute ihn an, er schaute sie an. Er hatte es geschafft. Er hob die Hand und lächelte. Sie blickte ihn an und tanzte weiter. Sie war schwanger, allerdings konnte man es noch nicht sehen. Wieso tanzte sie noch immer mit diesem Arzt, obwohl Vater gekommen war? Der Arzt bemerkte meinen Vater und blieb stehen, ließ sie los. Sie schenkte dem Arzt ein Lächeln und sah Vater mit einem leeren Blick an, ohne sich von der Stelle zu rühren. Er blieb an der Wohnzimmertür stehen, er hatte noch immer seinen Mantel an. Ich lief auf ihn zu.
    »Vater«, rief ich.
    »Christian«, sagte er und hob mich in die Höhe, obwohl ich dafür inzwischen zu alt war. Mutter kam auf uns zu.
    Jetzt soll ich mit ihm einige Monate zusammenwohnen, bis meine Mutter nachkommt. Ich kenne den Mann eigentlich nicht. Und wenn Mutter mit meiner kleinen Schwester kommt, wollen wir wie eine richtige Familie leben.
    Ich höre ein Juchzen von der anderen Seite des Hauses. Ich stehe auf, gehe ein paar Schritte ins Wohnzimmer und schaue durch die Glasscheibe der Hintertür. Katriina hüpft auf die Rasenfläche. Ihre vollen Brüste wippen, die Warzen sind ganz dunkel. Vater tritt mit einem Gartenschlauch in der Hand aus der Sauna. Der Wasserstrahl trifft Katriina, die stehen geblieben ist, schwer ausatmet und sich ein wenig schüttelt. Sie steht ruhig da und lässt sich bespritzen – ich kann den großen dunklen Busch zwischen ihren Beinen sehen. Der Wasserstrahl trifft ihren Oberkörper, sie dreht sich darin. Ich schaue auf meinen Vater, er lächelt und hält sich den Schlauch über den Kopf, so dass das Wasser über seinen nackten Körper fließt.
    Bevor sie mich entdecken, gehe ich rasch wieder auf die Veranda und bleibe dort sitzen.
    »Komm raus, Christian«, ruft Vater von der anderen Seite des Hauses.
    »Wieso?«, rufe ich zurück.
    »Keine Angst, niemand von uns ist mehr nackt.« Ich gehe hinaus. Sie sitzen auf Bänken um einen Tisch, der auf einem kleinen eingezäunten Gelände direkt vor der Sauna steht. Die Männer haben sich Handtücher um den Leib gewickelt, die Frauen sind
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher