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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman
Autoren: Jakob Ejersbob
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werde gleich ohnmächtig. Könnte ich ein Wasser oder so etwas bekommen …?«
    »Ja, natürlich«, antwortet sie und geht in die Pantry. »Leiden Sie unter Flugangst?«
    »Ja«, sage ich.
    »Möchten Sie ein paar Nüsse dazu?«
    »Ja, danke.« Sie gibt mir eine Tüte Salzmandeln und ein 7Up. Ich gehe zu meinem Platz. Die Mandeln sind fantastisch. Ich zwinge mich, jede einzelne Mandel lange zu kauen und nur kleine Schlucke zu trinken. Die Nahrungsstoffe schießen mir in die Blutbahn.
    Endlich heben wir ab. Leb wohl, Afrika. Heiß und verschlagen. Wenn ich aufhöre zu denken, wird es schon gehen. Schlafe ein. Träume …
    »Stopp!« Was? Ich? Die Stewardess beugt sich zu mir hinunter und hält mich an beiden Schultern.
    »Sie träumen«, sagt sie.
    »Was ist?« Ich könnte heulen. In dem Traum gab es weiß, schwarz, rot und grau.
    »Ich weiß es nicht«, erwidert sie mit einem kleinen Lächeln. »Sie haben geschrien.«
    »Entschuldigung.« Der feine Duft, die gestärkte Uniform und die hübsche Figur richten sich wieder auf.
    »Das macht nichts. Es ist vermutlich Ihre Flugangst. Möchten Sie etwas zu trinken?«
    »Ja, danke.«
    »7Up?« Ich nicke. Wünschte, sie würde noch immer meine Schultern halten. Was erzählen Träume? Schwarz hat eine besondere Bedeutung für mich.
    Wir erreichen Italien. Ich wühle in meinen Taschen. Ich habe siebenundneunzig Dollar. Und einen Zettel. Ich falte ihn auseinander: Mutters Adresse. Stecke ihn wieder in die Tasche. Meine Tansanit-Steine in der Reisetasche. Es gibt natürlich eine dänische Botschaft in Rom, aber was nützt das schon? Wenn die mich überprüfen, werde ich möglicherweise aufgefordert, sofort nach Hause zurückzukehren, um mich dort einer Anklage wegen Sozialbetrugs zu stellen. Außerdem habe ich gehört, dass sie die Leute nicht mehr so einfach bei der Heimreise unterstützen. Kann eine Verurteilung wegen Sozialbetrugs im offenen Vollzug mit Billard, Fernsehen und Verpflegung abgesessen werden?
    Es gibt etwas zu essen. Der Platz ist eng in der Holzklasse. Vorsichtig packe ich die kleinen Portionen aus. Esse jeden Krümel. Ich klingele nach der Stewardess. Es ist dieselbe.
    »Könnte ich noch eine Portion bekommen? Ich habe großen Hunger.« Sie nimmt mein Tablett.
    »Ich werde mal nachsehen, ob wir noch etwas haben.« Mein Nachbar tut so, als hätte er nichts bemerkt. Vor allem, als ich ein neues Tablett bekomme und mir die Sandwichs in die Tasche stopfe. Siebenundneunzig Dollar. Rom – Aalborg. Wir landen. Die Passagiere nach Rom steigen aus. Eine blonde Stewardess geht langsam durch den Mittelgang und zählt die Passagiere. Kurz darauf kommt über die Lautsprecheranlage die Ansage: » Any more passengers for Rome should please leave the aircraft .« Alle schauen sich gegenseitig an, zucken die Achseln und schütteln die Köpfe. Mein Nachbar sieht mich an.
    »Rom?«, fragt er.
    »Nein, ich will nicht nach Rom«, erwidere ich. Die blonde Stewardess fängt noch einmal an zu zählen, eine andere überprüft die Toilette, und gleichzeitig läuft das Reinigungspersonal durch die Kabine, sammelt den Abfall ein und saugt Staub. Meine Stewardess zählt mit dem Steward und nickt mir dann zu.
    »Ein blinder Passagier«, erklärt mein Nachbar und steckt die Hand in die Innentasche seiner Jacke. »Ich habe so etwas schon mal erlebt. Jetzt werden sie uns gleich bitten, die Boardingpässe bereitzuhalten.« Meine Stewardess geht den Mittelgang wieder hinunter, sie hat aufgehört zu zählen.
    »Nein«, sage ich. »Lassen Sie mich heraus.«
    »Wollen Sie also doch nach Rom?«, fragt mein Nachbar. Ich gebe keine Antwort. Er steht auf, damit ich vorbeikann. Die Stewardess bleibt ein Stück vor mir stehen und wartet, bis ich meine Jeansjacke aus dem Gepäckfach geholt habe. Vertrau niemals einem weißen Menschen. Ich gehe auf sie zu.
    »Was ist mit der Flugangst?«, erkundigt sie sich leise und mit einem Lächeln.
    »Ich versuche, sie zu überwinden, aber dazu braucht es Training.«
    »Es ist heutzutage schwierig zu trampen«, sagt sie. Ich nicke. Sie lächelt mich ganz kurz an – schelmisch, finde ich. Dann ist es vorbei, und sie zeigt wieder ihre starre Maske, als sie sich umdreht und vor mir den Mittelgang hinuntergeht, auf die offene Tür des Flugzeugs zu.
    »Warten Sie«, sagt sie, als wir die kleine Küche erreichen. Sie geht an einen der Schränke, schüttet den Inhalt von zwei Frühstückstabletts in eine Tax-Free-Tüte, legt zwei 7Ups und drei Päckchen Zigaretten dazu.
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