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Lewis, CS - Narnia 1

Lewis, CS - Narnia 1

Titel: Lewis, CS - Narnia 1
Autoren: Das Wunder von Narnia
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Murmeln. Der liebliche Duft umgab ihn von allen Seiten. Ein glücklicher Ort war dieser Garten, doch irgendwie war es sehr feierlich hier.
    Digory erkannte den richtigen Baum sofort, einerseits, weil er genau in der Mitte stand, andererseits, weil die großen silbernen Äpfel, mit denen er beladen war, so stark leuchteten, daß sie ihr Licht auf die schattigen Stellen darunter warfen, wo die Sonne nicht hinkam. Er ging geradewegs auf den Baum zu, pflückte einen Apfel und wollte ihn in die Brusttasche seiner Jacke stecken. Aber er konnte es sich nicht verkneifen, ihn erst einmal anzusehen. Und daran schnuppern mußte er auch.
    Das hätte er besser lassen sollen. Schlagartig bekam er schrecklichen Durst und Hunger, und er kriegte große Lust, so eine Frucht zu probieren. Rasch steckte er den Apfel in die Tasche, doch dort am Baum hingen ja noch viele andere. Ob es wohl verboten war, einen zu kosten?
    Vielleicht, dachte er, vielleicht war ja der Spruch am Tor kein richtiger Befehl, sondern nur ein Ratschlag. Und einen Ratschlag brauchte man ja nicht unbedingt befolgen. Und selbst wenn es ein Befehl war–den ersten Teil, nämlich für einen anderen eine Frucht zu pflücken, hatte er ja schon befolgt; also machte es vielleicht nichts aus, wenn er jetzt auch noch selbst einen aß.
    Während er über all diese Dinge nachdachte, schaute er zufällig durch die Äste hinauf zum Baumwipfel. Dort, auf einem Ast über seinem Kopf, saß ein wunderschöner Vogel. Fast sah es so aus, als schliefe er, aber doch nicht ganz. Ein Auge war nämlich ein winziges bißchen geöffnet. Größer als ein Adler war der Vogel, seine Brust war safrangelb, er war scharlachrot beschopft, und seine Schwanzfedern leuchteten purpurn.
    Später, als Digory die Geschichte den anderen erzählte, sagte er: »Das zeigt mal wieder, daß man an diesen Zauberorten nicht vorsichtig genug sein kann. Man weiß nie, wer einen beobachtet.« Aber ich glaube, daß sich Digory so oder so keinen Apfel genommen hätte. Ich glaube, in jenen Tagen wurden einem Jungen ein Spruch wie »Du sollst nicht stehlen« noch wesentlich mehr eingehämmert als heutzutage. Aber ganz sicher ist man bei solchen Dingen natürlich nie.
    Eben wandte sich Digory um und wollte zurückgehen zum Tor, da blieb er noch einmal stehen, um sich ein letztes Mal umzusehen. Er erschrak zu Tode. Er war nicht allein. Da, ein paar Schritte weiter, stand die Hexe. Sie warf gerade das Kerngehäuse des Apfels weg, den sie eben gegessen hatte. Der Saft war dunkler, als man vermutet hätte, denn um ihren Mund herum hatte sich ihre Haut häßlich verfärbt. Digory schöpfte sofort Verdacht, sie müsse über die Mauer geklettert sein. Und jetzt begriff er langsam, daß die letzte Zeile von dem erfüllten Herzenswunsch und der Verzweiflung vielleicht doch einen Sinn ergab, denn die Hexe sah stärker und stolzer aus als je zuvor, sogar irgendwie triumphierender; aber ihr Gesicht war schneeweiß, so weiß wie der Tod.
    All dies fuhr Digory blitzschnell durch den Kopf; dann nahm er seine Fersen in die Hand und rannte schnell wie der Blitz zum Tor. Die Hexe rannte hinterher. Sobald er draußen war, schloß sich das Tor hinter ihm ganz von selbst. Das verschaffte ihm einen kleinen Vorsprung, doch nicht für lange. Schon als er bei den anderen ankam und schrie: »Steig schnell auf, Polly! Flieg los, Flügelpfeil!«, war die Hexe über die Mauer geklettert oder vielleicht auch gehüpft und hatte ihn fast eingeholt.
    »Bleiben Sie, wo Sie sind!« rief Digory und drehte sich zu ihr um. »Sonst verschwinden wir alle drei! Keinen Schritt näher!«
    »Du Narr!« schrie die Hexe. »Warum rennst du denn vor mir davon? Ich will dir doch nichts zuleide tun. Wenn du nicht stehenbleibst und mir zuhörst, dann entgeht dir etwas, das dich für den Rest deines Lebens glücklich gemacht hätte.«
    »Vielen Dank, ich will es gar nicht hören«, antwortete Digory. Aber das stimmte nicht.
    »Ich weiß, mit welchem Auftrag du hierhergekommen bist«, fuhr die Hexe fort. »Denn letzte Nacht im Wald stand ich ganz nah bei euch und belauschte eure Unterhaltung. Du hast in diesem Garten eine Frucht gepflückt, die du jetzt in der Tasche trägst. Und ohne sie gekostet zu haben, willst du sie dem Löwen bringen, damit er sie ißt, damit er sie verwendet. Du Einfaltspinsel! Weißt du, was das für eine Frucht ist? Ich will es dir sagen. Es ist ein Apfel der Jugend, ein Apfel des Lebens. Ich weiß es, denn ich habe ihn gekostet und die
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