Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leute, das Leben ist wild

Titel: Leute, das Leben ist wild
Autoren: Alexa Hennig Lange
Vom Netzwerk:
auszukratzen, wenn du ihren Albert nicht in Ruhe lässt. Was soll ich ihr sagen?«
    Alina starrt mich sprachlos an, ihre Lippen gehen auf, und ich sehe ihre feste Klammer. Ich frage mich, wann die endlich mal wieder entfernt wird. Ich meine, dieses Gerät hat sie schon seit fünf Jahren an den Zähnen kleben, langsam wird’s mal Zeit, die rauszuprokeln, wenn ihr mich fragt. Alina sieht aus, als hätte sie nur noch Watte im Kopf, ihre Mundwinkel zucken, und offenbar erleidet sie gerade einen Adrenalinschock.
    Also treffe ich für sie die Entscheidung. Ich hebe beruhigend die Hand, um Alina zu signalisieren, dass ich alles unter Kontrolle habe, und räuspere mich: »Entschuldigung, Alina ist gerade nicht zu sprechen. Ich würde allerdings sagen, dass es immer noch Alberts Entscheidung ist, mit wem er zusammen sein möchte und mit wem nicht. Schließlich ist er erwachsen.«

    Ich finde, das habe ich hervorragend formuliert. Ist doch so? Er muss doch selbst wissen, was er will. Alina hat ihn ja zu nichts überredet. Also füge ich noch nüchtern hinzu: »Im Übrigen zerstört Alina grundsätzlich keine Beziehungen. Was das anbelangt, hat sie einen ganz strengen Ehrenkodex.«
    Die Lady auf der anderen Seite scheint das komplett anders zu sehen. Sie brüllt: »Gib mir sofort diese Schlampe Alina! Ist sie zu feige oder was? Ist sie feige? Sie hat mir meinen Freund mutwillig ausgespannt, alles klar? Von sich aus wäre der nie auf die Idee gekommen, überhaupt eine andere anzugucken. Wir wollten zusammenziehen, okay? Gib mir diese Schlampe!«
    Ich ziehe die Augenbrauen hoch und versuche, ruhig zu atmen, das hat mir meine Mutter beigebracht. Sie behauptet: »Dann bist du gegenwärtig.«
    Bis heute habe ich nicht verstanden, was sie damit meint. Ich probiere es trotzdem, weil Mama verspricht, dass man dann klar im Kopf bleibt und intuitiv die richtigen Entscheidungen trifft. Ich checke das jetzt mal aus. Und tatsächlich, mit jedem Atemzug werde ich gelassener. Ich senke meine Stimme ab und erkläre: »Ich denke nicht, dass Alina deinen Freund überredet oder verführt hat. Im Übrigen würde ich dich bitten, sie zukünftig nicht mehr Schlampe zu nennen. Ich meine: Kennst du Alina? Hast du die schon mal gesehen? Das ist das schüchternste Mädchen, das ich je getroffen habe. Außerdem hat sie einen Haufen Mist in ihrer Kindheit und Jugend erlebt, und ich glaube nicht, dass sie auf Ärger aus ist.«
    Inzwischen hat sich Alina an den Wegesrand auf die Wiese gesetzt und sich ihre zerdrückte Zigarettenpackung aus der Jeanshosentasche gezogen. Während sie hektisch
eine Zigarette anzündet und losraucht, lasse ich mich von dieser Sarah fröhlich weiterbeschimpfen: »Bist du auch so eine verdammte Schlampe?«
    »Wie bitte? Bist du bescheuert?«
    Jetzt reicht es aber! Außerdem fällt mir gerade ein: Eigentlich soll ich gar nicht so lange mit Handys telefonieren. Mama meint, dass man von der Strahlung Gehirntumore bekommt - mit Verlaub, darauf habe ich so was von keinen Bock. Besonders nicht aufgrund dieses behämmerten Telefonats. Schon wieder werde ich gefragt, ob ich auch eine Schlampe bin. Interessant daran ist, dass ich mir diese Frage - wie wir wissen - seit heute Morgen ununterbrochen selber stelle. Und noch immer habe ich keine befriedigende Antwort darauf gefunden. Also halte ich das Telefon ein Stück weiter von meinem Ohr weg, längst bilde ich mir ein, dass das schon ordentlich erhitzt und am Glühen ist. Nichtsdestotrotz höre ich Sarah auf der anderen Seite hervorragend: »Du hast mich genau verstanden! Alles klar? Ich kratz Alina die Augen aus! Verpisst euch aus Alberts Leben! Verpisst euch, ihr Schlampen, Schlampen, Schlampen!«
    Unter uns, ich würde sagen, das Mädchen ist nicht das Hellste. Die wiederholt sich ja ständig und so richtig Sinn macht das alles nicht. Was habe ich damit zu tun? Ich fungiere hier quasi nur als Medium. Bevor ich allerdings dazu komme, sie etwas zu beruhigen, damit die Sache am Ende nicht völlig aus dem Ruder läuft und die hier aufkreuzt, vibriert zu allem Überfluss mein eigenes Telefon in der Hosentasche. Der Rucksack wird auch immer schwerer. Umständlich und total verknotet ziehe ich mein Handy aus der Tasche und gucke aufs Display, während mir weiter die schlimmsten Beschimpfungen ins Ohr getrötet
werden. »Wer hat euch eigentlich erzogen? Eine Schlampe?«
    Natürlich ist es ausgerechnet Johannes, der da anruft. Hervorragendes Timing. Vermutlich will er wissen, wann er morgen da
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher