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Leuchtend

Leuchtend

Titel: Leuchtend
Autoren: Emma Green
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beschließe, dass ich dringend jemanden anrufen muss. Das rettet mich davor, völlig den Kopf zu verlieren und beispielsweise Selbstgespräche zu führen. Auf dem Bauch liegend rufe ich einfach meinen letzten Gesprächspartner an, ohne nachzusehen, wer das eigentlich war, und warte ungeduldig auf ein Zeichen.
    "Hallo?"
    "Hallo? Wer ist da?"
    "Du rufst mich doch an!"
    "Ach, Camille. Ich habe dich gar nicht erkannt. Wie geht es dir?"
    "Jetzt drehst du völlig durch, Schwester. Geben sie dir irgendwelche Drogen dort drüben?"
    "So ein Schwachsinn! Hat Oscar dich letztendlich doch schlafen lassen?"
    "Pff… nein. Gestern Abend hat dich das jedenfalls überhaupt nicht interessiert. Was ist passiert?"
    "Wie? Ach nichts! Ich wollte nur fragen, was es Neues gibt.
    Ist Alex schon zu Hause?"
    "Ja, aber du kannst aufhören, so zu tun, als ob du dir Sorgen machen würdest. Versprich mir aber auf jeden Fall, dass du nicht heiraten und Kinder bekommen wirst. Zumindest nicht, bevor du 40 bist. Oder besser nie. Babys sind nervig und laut, sie sind auch süß, aber sie können nicht einmal reden. Und die Liebe ist auch nichts wert, oder sie ist zumindest nicht das, wofür wir sie halten. Verstehst du?"
    "…"
    "Sprichst du jetzt nicht mehr mit mir? Jetzt erzähl schon, schließlich kenne ich dich doch. War es dir ein Bedürfnis, mit deiner alten Schwester zu reden?"
    "Nein, ich … Ich glaube, ich muss Schluss machen. Viel Glück mit deinen beiden Jungs. Ich hab' dich lieb."
    Ich drücke hektisch auf "Anruf beenden", damit dieses Martyrium ein Ende hat. Dieser Anruf war ja wirklich eine tolle Idee! Gut gemacht! Verzweifelt vergrabe ich erneut meinen Kopf zwischen den Kissen. All das nur wegen dieses Kusses! Ja, seine Lippen waren unendlich weich und haben sich mit meinen in perfekter Harmonie vereint und ja, seine Zunge hat meinen Mund mit einer Zärtlichkeit erforscht, die ich keinem Mann zugetraut hätte, und ja, er hatte diesen göttlich-leichten Pfirsichgeschmack, doch letzten Endes war es nur ein Kuss! Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen und diese Unbekannte, halb Teenager, halb Drama-Queen, aus meinem Inneren zu verjagen. Und dank all dieser Dummheiten bleibt mir lediglich eine Stunde, um mich auf das Treffen mit ihm vorzubereiten. Ich muss meine Würde zurückerlangen und dieses Interview gut über die Bühne bringen. Ich kann das. Es genügt, wenn ich einfach nicht auf seinen Mund sehe, niemals. Ich verbiete es mir.
    Nach einer langen, erfrischenden Dusche stehe ich in weißem Slip und weißem BH vor meinem offenen und völlig ungeordneten Koffer. Ein sexy Outfit kommt nicht infrage, schließlich soll meine Kleidung auch den Ton angeben. Allerdings sollte das Outfit auch nicht zu alltäglich sein, denn es handelt sich um einen geschäftlichen Termin und Diamonds soll mich dabei ernst nehmen. Aber auch nicht zu klassisch, denn ich will ihm keine Gelegenheit geben, auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, was ihn dazu getrieben hat, mich zu küssen. Ich entscheide mich für eine einfache, eng anliegende Jeans, so kommt er bestimmt nicht auf dumme Gedanken. Meine weiße Bluse lässt mich ein wenig älter aussehen und das bordeauxfarbene Gilet betont meine Formen. Schließlich richte ich den widerspenstigen Kragen meiner Bluse und denke einen kurzen Moment darüber nach, ob ich mir Gabriels marineblauen Pullover um die Schultern legen soll, verwerfe diese Idee jedoch schnell wieder. Ich werde ihm den Pullover respektvoll und gleichgültig zurückgeben, als ob es sich dabei lediglich um ein wertloses Objekt handle. Fertig angezogen, mit offenen Haaren, leicht geschminkt und mit meinen schwarzen Stiefeletten an den Füßen stelle ich mich vor den Spiegel in meinem Zimmer. Nun ja … Ich sehe aus wie ein Teenie mit zu großen Brüsten. Oder wie eine Frau, die sich als kleines, trauriges Mädchen verkleidet hat. In der Hoffnung, dass eine andere Frisur mir ein wenig Haltung verleihen würde, binde ich mir die Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Schon besser. Vor dem Spiegel werfe ich mich in einige lächerliche Posen und setzte ein mehr oder weniger gezwungenes Lachen auf. Schließlich höre ich damit auf. Untätig setze ich mich auf das große Bett und warte auf die besagte Uhrzeit. Unzählige Male wiederhole ich in meinem Kopf die Fragen, die ich ihm stellen werde, formuliere sie immer und immer wieder um und finde sie schlussendlich alle nichtssagend.
    Um 11 Uhr 15 mache ich mich langsam auf den Weg durch die langen
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