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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra
Autoren: Lindsey Davis
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dabei war, als Vespasians Sohn Domitian mein Gesuch, in den Bürgerstand erhoben zu werden, abgelehnt hatte. Ich hegte sogar den Verdacht, daß Anacrites hinter diesem Akt kaiserlicher Undankbarkeit steckte. Er mußte meinen Zorn bemerkt haben.
    »Ich kann Ihre Gefühle nur allzugut verstehen«, sagte der Oberspion in einem, wie er wohl hoffte, gewinnenden Ton. Er war sich offensichtlich nicht bewußt, daß er gerade einige gebrochene Rippen riskierte. »Sie hatten ja doch einiges investiert, um in den Bürgerstand zu kommen. Die Ablehnung muß ein harter Schlag gewesen sein. Das ist wohl auch das Ende Ihrer Beziehung zu dem Camillus-Mädchen, oder?«
    »Mit meinen Gefühlen komme ich schon klar. Und sparen Sie sich Ihre Spekulationen über mein Mädchen.«
    »Verzeihung!« murmelte er demütig. Ich knirschte mit den Zähnen. »Schauen Sie, Falco, ich dachte, ich könnte Ihnen vielleicht einen Gefallen tun. Der Kaiser hat mir die Leitung dieser Angelegenheit übertragen; ich kann damit beauftragen, wen ich will. Nach dem, was neulich im Palast passiert ist, ist Ihnen die Gelegenheit, Rom so weit wie möglich hinter sich zu lassen, vielleicht gerade recht …«
    Manchmal klang Anacrites, als hätte er an meiner Türschwelle gelauscht, während ich mit Helena über das Leben plauderte. Da wir im sechsten Stock wohnten, war es unwahrscheinlich, daß einer seiner Unterlinge zum Horchen zu uns hochgetappt war, trotzdem umschloß ich den Weinbecher mit festerem Griff und musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen.
    »Kein Grund, gleich in die Defensive zu gehen, Falco.« Er war wirklich ein unangenehm aufmerksamer Beobachter. Dann zuckte er die Schultern und hob leicht die Hand. »Wie Sie wollen. Wenn ich keinen passenden Gesandten finde, kann ich immer noch selbst gehen.«
    »Wohin denn eigentlich?« rutschte es mir raus.
    »Nabatäa.«
    »Arabia Petraia?«
    »Überrascht Sie das?«
    »Nein.«
    Durch mein häufiges Rumlungern auf dem Forum betrachtete ich mich als Experten in Sachen Außenpolitik. Die meisten der Klatschmäuler auf den Stufen des Saturntempels waren nie aus Rom rausgekommen, oder zumindest nicht weiter als bis zu den kleinen Villen in Mittelitalien, von denen ihre Großväter stammten; ich dagegen war bis an den Rand des Imperiums vorgedrungen. Ich wußte, was an den Grenzen los war, und wenn der Kaiser über sie hinaussah, wußte ich auch, warum.
    Nabatäa lag zwischen unseren aufmüpfigen Besitzungen in Judäa, die Vespasian und sein Sohn Titus vor kurzem befriedet hatten, und der kaiserlichen Provinz Ägypten. Hier liefen die großen Handelswege vom Fernen Osten quer durch Arabien zusammen: Gewürze und Pfeffer, Edelsteine und Perlen, exotische Hölzer und Duftstoffe. Die Nabatäer überwachten diese Karawanenwege, machten das Land für die Händler und Kaufleute sicher und ließen sich das teuer bezahlen. In Petra, ihrer gut geschützten und geheimnisumwitterten Hauptstadt, hatten sie ein wichtiges Handelszentrum errichtet. Die Höhe ihrer Zölle waren berüchtigt, und da Rom der unersättliche Abnehmer für Luxusgüter war, zahlten letztlich die Römer. Mir war völlig klar, warum Vespasian nun überlegte, ob man die reichen und mächtigen Nabatäer nicht ermutigen sollte, sich dem Römischen Reich anzuschließen und so ihr lebhaftes, lukratives Handelszentrum unserer direkten Kontrolle zu unterstellen.
    Anacrites mißverstand mein Schweigen als Interesse an seinem Vorschlag. Er kam mir mit der üblichen Schmeichelei, daß nur wenige Agenten dieser Aufgabe gewachsen seien.
    »Das heißt, Sie haben schon zehn andere gefragt, die seltsamerweise plötzlich alle krank wurden.«
    »Der Auftrag könnte Aufmerksamkeit auf Sie lenken.«
    »Sie meinen, falls ich ihn zur Zufriedenheit ausführe, wird es heißen, daß es wohl nicht allzu schwierig war.«
    »Sie sind zu lange im Geschäft!« Er grinste. Für einen kurzen Augenblick fand ich ihn sympathischer als sonst. »Sie schienen mir der geeignetste Kandidat für die Sache, Falco.«
    »Ach, hören Sie doch auf! Ich war noch nie außerhalb Europas.«
    »Sie haben Verbindungen zum Osten.«
    Ich lachte kurz auf. »Nur durch die Tatsache, daß mein Bruder dort gestorben ist.«
    »Das verschafft Ihnen einen Vorteil …«
    »In der Tat. Den Vorteil, ganz genau zu wissen, daß ich die verdammte Wüste nie mit eigenen Augen sehen will!«
    Ich empfahl Anacrites, sich in ein Weinblatt zu wickeln und kopfüber in eine Amphore mit ranzigem Öl zu springen, dann goß ich
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