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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise
Autoren: Anna Enquist
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werden. Mir wurde unwohl, als ich das sagte. Erforschen! Ich weiß jetzt, daß Forschung nichts löst. Fakten sammeln, beobachten, protokollieren – sinnlos. Das verleiht den Anschein von Wissen, ein Schamtuch für die Machtlosigkeit. Die Zeit des Forschern ist vorbei! Das wahre Verstehen entzieht sich dem Forschen. Ich weigere mich, an Deck zu gehen, ich suche die Erschöpfung, die ich auf dem Altar erfuhr. Da war das wahre Verstehen ganz nah, es entglitt mir nur um ein Haar. Gott, wie hasse ich diese stinkenden Matrosen. Es geht eine kräftige Brise. Wird nicht meine Sorge sein.
    9. Februar. Mit dröhnendem Krachen brach der Fockmast und verursachte an Deck ein komplettes Chaos. Ich tat, als sei ich erzürnt, erging mich in einer Tirade gegen die Marine und beschimpfte den schuldlosen Bligh. Stampfte auch wutentbrannt auf den Planken auf doch der Sturm toste noch so heftig, daß es wenig Eindruck machte. Sie wollten die am nächsten gelegene Küste ansteuern; ablandiger Wind machte das freilich unmöglich. Ich ließ die Offiziere selbständig zu dem Beschluß kommen, daß uns nichts anderes übrigbleibe, als nach Hawaii zurückzukehren. Dort kannten wir die Lage des Landes und würden von Dieben und Quertreibern unbehelligt eine rasche Reparatur durchführen können. In meiner Kajüte legte ich mich schmunzelnd zu Bett. Lono kehrt zurück!
    12. Februar. Ich stieg an Deck, um den Tempel auftauchen zu sehen. O mein Land! Es war, als rufe der Vulkan mir leise grollend ein Willkommen zu. Ich hatte erwartet, daß die Bucht im Nu mit Kanus gefüllt sein würde, doch man zeigte keinerlei Interesse an unseren Schiffen.
    Abends kam der König an Bord. Er war zurückhaltend und kurz angebunden. Ich bewunderte ihn für sein Theaterspiel. In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen.
    13. Februar. Sie stellen mich auf die Probe. Die Eingeborenen, angeführt vom König, beschweren sich über die Werkstatt, die wir natürlich auf unserem angestammten Platz neben dem Tempel eingerichtet haben. Die Zimmerleute arbeiten an einem neuen Mast. Zangen, Sägen und Feilen werden ihnen unter ihren Händen geraubt.
    Die Priester stehen auf meiner Seite, doch ihr Protest ist halbherzig. Ich konnte mich nicht zurückhalten, an Land zu gehen, und stürmte mit gezückter Pistole ins Dorf. Kein Spalier aus sich verneigenden, ehrerbietigen Bewunderern, sondern hinterlistig fortspringende Unholde mit Steinen in den drohend erhobenen Händen! Sollte ich mich denn so getäuscht haben? Im Wasser brach nahe den Felsen eine Schlägerei um ein Boot aus, Eingeborene und Matrosen schlugen sich gegenseitig mit Paddeln und Rudern auf den Kopf Palea war darin verwickelt. Ich habe den Männern befohlen, nur noch bewaffnet an Land zu gehen. Clerke will 'mich sprechen, er sandte einen Bediensteten, mich zu holen. Ich habe ihn weggeschickt.
    Es ist Nacht. Heute nachmittag fragte ein frecher Eingeborener, ob ich denn überhaupt kämpfen könne. Er wollte Beweise meines Mutes sehen. Ich zeigte ihm meine rechte Hand mit der Narbe. Es hing etwas Drohendes in der Luft. Ich habe mich abgesondert, um nachzudenken. Ich muß alles übersetzen, drehen und wenden. Bedrohung bedeutet Verführung, eine Einladung, näher zu kommen. Gerade eben bin ich beinahe an meinem Schreibtisch eingenickt. Kurz bevor ich wegglitt, kam mir eine wichtige Einsicht. Ich 'muß sie mir vergegenwärtigen. Es hatte etwas mit dem Austeilen von Geschenken zu tun. Der Schenkende ist übermächtig. Ich schenke diese Insel, meine Insel, das größte nur denkbare Geschenk, und sie wird für immer an mich gebunden sein. Jetzt weiß ich es. Das äußerste Opfer.
    Vollkommene Ruhe seit diesem Gedanken. Habe sogar kurz geschlafen, ganz und gar angezogen. Verstehe nicht, daß ich das nicht schon früher habe denken können. Auf der Insel ist es längst bekannt, Palea weiß, daß ich deswegen zurück gekehrt bin, Koa ist informiert, der König ebenfalls. Alle Eingeborenen machen mit. Und ich dachte, sie hätten sich gegen mich gekehrt! Im Gegenteil, ein jeder beteiligt sich an meinem. Vorhaben. Palea kam gestern an Bord und lehnte eine Einladung zum Abendessen ab, weil er angeblich über die Attacke mit den Rudern erbost war. Er lief hochmütig an mir vorüber, und ich fühlte in meiner Unbedarftheit sogar Wut aufkommen! Jetzt erkenne ich seinen findigen Vorsatz. Er trug einen kurzen Dolch, den er vermeintlich drohend kurz auf mich richtete. Eine vorzügliche List! King fiel darauf herein, zog Palea mit,
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