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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise
Autoren: Anna Enquist
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Besatzungsmitgliedern jeden Kontakt mit Eingeborenenfrauen und wußte doch, daß sie sein Verbot ignorieren würden.
    Gleichermaßen enttäuscht war er, als die Matrosen das heilsame Bier verschmähten, das er aus frischem Zuckerrohr brauen ließ. Sie las von der enervierenden Umseglung der großen Insel Hawaii. Die Männer wollten vor Anker gehen, an den Strand, ins Paradies. James lavierte, hielt sich hier auf, um eine Küstenform zu studieren, dort, um ein Korallenriff zu kartieren, und nahm sich alle Zeit. Aus jeder Einbuchtung, die sie passierten, kamen Kanus mit Gemüse und Obst; Mädchen sprangen in die Wellen und führten ein Wasserballett für die Matrosen auf, die so weit über der Reling hingen, daß sie beinahe über Bord fielen. Endlich, am 16. Januar 1779, gab er seinen unzufriedenen Männern nach und ließ die Schiffe in einer geräumigen Bucht ruhen, beschattet von mächtigen Bergen.
    Ich nahm King, Bayly und Webber mit ins Beiboot. Landung an einem, schmalen Strand, wohinter eine Art Heiligtum, wie wir es aus Tahiti kennen. Koa, der Priester, erwartete uns mit Palea. Er ist unser Handelskontakt. Ich paßte scharf auf, denn die Informationen, die man bei einer ersten Landung sammelt, wiegen schwer. Der Priester faßte meine Hand und führte uns zum Altar. Sein Daumen fuhr tastend über meine Narbe, bevor er den Griff schloß. Mit einem Mal wurde mir bewußt, daß es eigenartig still war, der Strand war verlassen, und man konnte die Vögel kreischen hören, die ihre Nester in der Bergwand haben. Als wir uns weiter von der Brandung entfernten, fing ich eine Art Gemurmel auf. Wir blieben vor einigen Holzskulpturen stehen, Koa begann zu beten, und ich hatte die Gelegenheit, mich umzusehen. Am Waldrand hatten sich Hunderte Eingeborene versteckt. Sie verneigten sich, als sie uns erblickten. Aber es war keine normale Verbeugung, nein, sie warfen sich zu Boden. Das ist einmal etwas ganz anderes als der übliche Empfang, bei dem sie einem die Knöpfe von der Jacke reißen und einem von dem Tumult Hören und Sehen vergeht. Diese Menschen flüsterten stets dieselbe?! Laute, die ich auch schon von Koa gehört hatte: »Lono, Lono, Lono.« Wir schritten weiter zum Altar, und während Koa mir half ihn zu besteigen – er war beängstigend hoch –, traf eine Prozession von Menschen ein, die Schweine und Palmblätter trugen. Ihr Anführer, ein Alter ohne Zähne, gab Koa ein rotes Tuch. Das hängten sie mir um, die Schultern. Eine Entdeckungsexpedition zu leiten ist wahrlich eine schwere Aufgabe. Allein die Funktion des Kapitäns verlangt einem außerordentlich viel ab, wenn ich an die Erhaltung des Friedens und der Gesundheit an Bord, das Navigieren, das Proviantieren und die Instandhaltung des Schiffes denke. Und dazu kommt dann noch das ganze andere! Ich habe den Eindruck, daß sich die Herren von der Admiralität gar nicht darüber im klaren sind. Die Menschen, denen wir begegnen, mit ihren fremden Sprachen, Gewohnheiten, ihrem Aufzug! Die Landschaften, die Gewächse, die Tiere! Das erfordert unablässige Neugierde und ein perfektes Gedächtnis. Aufmerksamkeit, nie erlahmende Aufmerksamkeit. Ich muß diese Passage später umschreiben.
    Als ich diesen Altar erklommen hatte, verspüre ich eine tödliche Erschöpfung. Dort stand eine Statue mit genau so einem roten Tuch, wie ich es hatte, über den ausgebreiteten Annen. Ein Schwein verweste zu ihren Füßen. Der Priester hob es hoch, die Gedärme fielen heraus, von dicken Maden bedeckt. Mit bloßen Händen schob er die stinkenden Innereien zusammen und stopfte sie in den Bauch des Kadavers zurück. Sie zogen an meinen Armen, ich sollte mich genauso hinstellen wie die Statue, wie Christus am Kreuz. Ich ließ sie gewähren. Koa zupfte Fleisch aus einem anderen Schwein, zerkaute es und spuckte es in seine schmutzige Hand, um es mir anzubieten. Bis auf das Geflüster war nichts zu hören, obwohl es um den Altar herum von Menschen wimmelte. Ich hielt den Mund fest geschlossen. Nur den Kava trank ich, obwohl auch in ihn reichlich hineingespuckt wurde, das ist ein wesentlicher Bestandteil der Zubereitung. Er schmeckte schärfer und würziger, als ich es gewohnt bin, und erhöhte meine Betäubung. Man muß nicht nur alles beobachten und sich merken, sondern es auch noch aufschreiben.
    Die Müdigkeit ist gewichen, jetzt, da ich in der Kajüte sitze. Ich hatte den Eindruck, daß die Menschen mich erwartet hatten und mit einer gewissen Ehrfurcht willkommen hießen. Bin ich an
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