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Letzte Rache: Thriller (German Edition)

Letzte Rache: Thriller (German Edition)

Titel: Letzte Rache: Thriller (German Edition)
Autoren: James Craig
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zurück und musterte den alten Mann vor ihm gründlich. Er schätzte, dass er vielleicht zehn Zentimeter größer und mindestens vier Kilo schwerer war, ganz zu schweigen von dem Altersunterschied, der mehr als dreißig Jahre betrug. Es gab kein Schutzgeländer und keine Überwachungskameras auf dem Dach. Ein schneller Stoß, und Orb würde glatt über den Dachrand verschwinden. Leicht, schnell und sauber. Niemand würde jemals erfahren, was passiert war. Er stieß mit der Spitze seines Schuhs gegen den Zigarettenstummel; er sollte daran denken, den aufzuheben, bevor er das Dach verließ – ansonsten gäbe es kein Indiz dafür, dass er je hier gewesen war.
    Auf dem Platz unten quietschten Reifen, Metall stieß auf Metall, und jemand drückte wütend auf die Hupe. Gori schaute nach unten und sah einen Taxifahrer, der aus seinem Wagen stieg und einen Radfahrer anzuschreien begann, der neben seinem übel zugerichteten Rad auf der Straße saß. Nach ausgedehnten Schuldzuweisungen gab der Taxi- dem Radfahrer einen heftigen Tritt und stolzierte zu seinem Wagen zurück. Gori lachte, und der Bann war gebrochen. Er schaute Orb wieder an. Der alte Mann würde nie erfahren, wie nahe er in diesem Augenblick dem Tod gewesen war.
    Letzten Endes war es jedoch nicht nötig, den Botschafter umzubringen. Außerdem wäre es kontraproduktiv gewesen, weil es für zu viel Aufregung gesorgt hätte. Orb hätte zweifellos irgendwelche Verbündete, selbst wenn sie in einem Büro in Santiago festsaßen. Nicht wie die Frauen. Die hatten keine Verbindungen, keinen Einfluss. Niemand würde sich je ihretwegen Gedanken machen, von dem blöden Polizisten vielleicht abgesehen.
    Und was war mit ihm?
    Den Polizisten umzubringen, mochte nett sein, aber das war auch nicht wirklich nötig. Er wäre bald genug weg vom Fenster. Matias hatte in seinem Leben viele wie ihn gesehen – nicht genug Verstand, nicht genug Stehvermögen, nicht genug Eier – und mehr als genug, um zu wissen, dass Carlyle keine Bedrohung darstellte.
    Er trat wieder auf Orb zu und lächelte. »Wir tun einfach, was nötig ist.«
    »Natürlich ist das nicht Ihre Entscheidung«, sagte Orb traurig. Er legte seinem jungen Mitarbeiter sanft eine Hand auf die Schulter. »Ich würde zur Vorsicht raten. Leute wie diese können Ihnen nicht gefährlich werden. Bei all seinen Mängeln ist dies ein zivilisiertes Land und mit Chile gut befreundet. Die Beziehungen sind erfreulich. Diese Leute können das Verhältnis nicht beeinträchtigen. Sie dürfen ihre Demonstrationen machen, aber sie werden nichts ändern. Darum geht es in einer Demokratie. Sie, Matias, machen nur aus einer relativ harmlosen Situation eine gefährliche. London ist nicht Bagdad, ein Mord ist hier ein Ereignis . Ein Menschenleben hat hier eine Bedeutung. Die Polizei wird gründliche Ermittlungen anstellen. Man wird Ihnen auf die Schliche kommen. Und die ganze Zeit erreichen Sie nichts anderes, als potenzielle Märtyrer zu schaffen und genau das Anliegen zu unterstützen, das Sie zunichtemachen möchten.«
    »Ich verstehe, was Sie sagen wollen«, pflichtete Gori ihm bei. Er brach ab, weil er wusste, dass er es dabei belassen sollte. Aber weil er sich eine letzte spitze Bemerkung nicht verkneifen konnte, lächelte er maliziös und sagte: »Aber Sie haben Ihr ganzes Leben damit verbracht, auf dem Zaun zu sitzen, Exzellenz – Sie müssen einen ziemlich wunden Arsch haben. Es ist gut, dass Sie in den Ruhestand treten, weil Chile für die bevorstehenden Kämpfe stärkere Männer braucht als Sie.«
    Orb lächelte schwach und nahm die Hand von Goris Schulter. »Vielleicht haben Sie recht, Matias. Da ist etwas dran. Bestimmt ist irgendwann für jeden das Ende der Fahnenstange erreicht.« Er machte einen Schritt nach hinten, weg vom Dachrand. »Eine Sache steht allerdings fest …«
    »Ach? Und das wäre?«
    »Wir werden beide sehr bald nach Hause gehen.« Er legte Gori die Hand ins Kreuz und gab ihm einen festen Stoß. Der Militärattaché überwand seine anfängliche Überraschung und versuchte, sich auf den Beinen zu halten, aber die Brüstung war im Weg und sorgte dafür, dass er stattdessen vornüberkippte. Orb brummte und stieß noch fester zu, und Gori verschwand nach unten. Ein paar Sekunden stand Orb einfach da, atmete schwer und lauschte seinem Herzschlag. Dann entfernte er sich, ohne einen Blick in die Tiefe zu werfen.

Sechsunddreißig
    Gideon Spanner saß auf dem Betonboden, die Knie an die Brust gezogen, den Rücken an die
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