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Letzte Nacht

Letzte Nacht

Titel: Letzte Nacht
Autoren: Stewart O'Nan
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Krautsalat. Ihre Messer klacken und klappern gegen die Kevlar‐Küchenbretter.
    Rich ist okay, er ist bloß ein Jugendlicher, ein großer, schüchterner weißer Junge. Er arbeitet erst seit dem Frühling hier und ist schweigsam, da fällt es Manny schwer, genau zu beurteilen, wie weit seine Loyalität reicht, und wie loyal sich Manny ihm gegenüber verhalten sollte.
    Fredo ist nicht so schlimm, wie Ty behauptet, aber er hat sicherlich seine Probleme: Von einem heißen Backblech, das Fredo abgestellt hat, ohne einen Lappen drauf liegen zu lassen, hat Manny immer noch eine blasse Narbe am Daumen. Wenn er mehr als fünf mitnehmen könnte, wäre Rich vielleicht dabei. Fredo nicht.
    Die Fischsuppe, die Gumbosuppe und der Kaffee sind in Arbeit. Eddie schaltet die Geschirrspülmaschine ein und fügt noch eine weitere Lärmschicht hinzu. Der Raum füllt sich mit dunstiger Hitze, und Manny kommt sich vor wie früher im Umkleideraum vor einem großen Sportfest, wo dieselbe aufgestaute Energie darauf wartete, freigesetzt zu werden. Keiner von ihnen ist neu. Er braucht ihnen nicht zu sagen, dass sie unterbesetzt sind und was das bedeutet.
    Er geht zum Haustelefon in dem schmalen Gang bei der Garderobe und ruft Warrens Handy an, erwischt aber bloß dessen Mailbox. Er probiert es bei B‐Mac und fragt sich, ob die beiden das zusammen durchziehen, eine blöde Racheaktion, weil er sie nicht beide mitnimmt.
    Manny stellt fest, dass er an seinem Gummiband zupft, es gegen sein Handgelenk schnellen lässt, und hält inne.
    Nicolette kommt um die Ecke geschossen und rennt ihn fast über den Haufen. Also hat er auch diese Wette verloren.
    «Draußen sieht’s übel aus», sagt sie und entledigt sich ihres Schals. «Direkt vor unserem Bus ist ein Wagen ins Rutschen gekommen.»
    «Keine Sorge», sagt Manny, «Roz hat für dich alles hergerichtet.»
    «Hm‐hmm.»
    «Nee, ich war’s.»
    «Gut», sagt sie mit einer Mischung aus Erleichterung und Genugtuung. Von allen Serviererinnen ist Nicolette am kürzesten da und hat sich die meisten Feinde gemacht – von den Platzanweiserinnen über die Hilfskellner bis zum Küchenpersonal. Es kann für sie keine Überraschung gewesen sein, dass er sie nicht mitnimmt. Schon bevor er seine Entscheidung bekanntgab, hat sie regelmäßig gedroht zu kündigen, einmal unter spektakulären Umständen, als sie eine alte Dame, die ihr den Kugelschreiber geklaut hatte, bis auf den Parkplatz verfolgte und durchs geschlossene Autofenster beschimpfte. «Auf so einen Scheiß kann ich verzichten», sagte sie und warf ihr Namensschild durch den Pausenraum, als Manny ihr die Kündigung auszureden versuchte. Und obwohl es ihm leid tut, dass er sie gehen lassen muss, glaubt er insgeheim, dass sie es so haben will.
    Noch zwanzig Minuten, und Crystal, Dom und Jacquie sind immer noch nicht da. Er hat zwar damit gerechnet, dass nicht viele kommen würden, aber das hier ist ein Alptraum. Er probiert es nochmal bei Warren und bei B-Mac, krempelt dann die Ärmel hoch und löst Rich ab, bearbeitet den Brötchenteig mit den Handgelenken und zuckt mit den Schultern, als Ty stocksauer rüberkommt.
    «Bitte sag mir, das ist ein Scherz.»
    «Das brauchst du mir nicht zu sagen», entgegnet Manny. «Sag’ s deinem Kumpel Warren.»
    «Mach ich», sagt Ty, kommt kurz darauf vom Telefon zurückstolziert und sagt Fredo, er soll aufhören, Karotten zu würfeln und ihm helfen. Sie haben erst mal genug Salat. Es ist Zeit, den Reis und die Fritten zuzubereiten.
    Manny bestückt ein halbes Dutzend Backbleche und schiebt sie in die Kühlvitrine. Eddie steht bloß rum, also ruft er ihn her und macht ihn zum Bäcker, zeigt ihm, wie alles geht. «Du brauchst neue Handschuhe.»
    «Stimmt», sagt Eddie. «Wie viele soll ich machen?»
    «Mach einfach weiter, bis ich dir sage, dass du aufhören sollst.» Das ist eine gefährliche Anordnung, weil Eddie so etwas noch nie gemacht hat und Ty bestimmt irgendwas abgewaschen haben will, aber Manny hat’s eilig und glaubt, dass er bald wieder da ist, um ihn abzulösen.
    Draußen ist es so dunkel, dass Roz die Deckenbeleuchtung eingeschaltet hat, was dem Restaurant die spätnächtliche Atmosphäre einer Cocktailbar verleiht. Dom ist immer noch nicht da. Manny muss die Bar vorbereiten und bittet Roz und Nicolette, Zitronen in Scheiben zu schneiden, während er ein paar Eimer Eis von der Maschine herschleppt. Der Bombay Sapphire und der Dewar’s sind fast leer. Als er die Bar wieder auffüllt, sieht er im
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