Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
Vom Netzwerk:
mit Neutralität die Treue zum Reich gemeint ist, aber nicht im juristischen. Im juristischen Sinne stehe ich absolut auf der Seite des Gesetzes, da kenne ich kein Wenn und erst recht kein Aber! Gesetz ist Gesetz, und da rücke ich nicht von ab! Keine Macht der Welt bringt mich dazu, das Gesetz zu verraten. Verstanden? Ich bin als SS Richter zuständig für Verbrechen innerhalb der SS und als Beamter der Kripo Berlin bin ich zuständig für alle Verbrechen außerhalb der SS. Sie sehen, es gibt kein Entrinnen vor meinen Untersuchungen. Nur um das klarzustellen, mich interessiert hier alles, alles und jeder. – Entschuldigen Sie, Standartenführer, aber mir liegt daran, ganz zu Anfang direkt und offen zu sein. – Schließlich sind wir Männer, was, Pister, und keine Weiber!“
    „Und Witz haben wir auch! – Schon gut, schon gut“, sagte Pister und dachte: Die Ehrlichen sind die Gefährlichen. Was will der hier, was putzt der mich herunter, als sei ich ein verdammter Wehrmachtsgefreiter? Bleib nett, Pister, bleib nett, erst schauen, dann schießen! – Am Ende wird er ein gutes Wort für dich beim Reichsführer einlegen, ohne dass du groß etwas hattest tun müssen. Also akzeptiere diesen jungen Schnösel mit seinem Juradiplom und fertig. Da gab es doch schon ganz andere Kanalarbeiter hier! Wie alt mag der sein? Zehn Jahre jünger als ich, fünfzehn? – Ein Jüngerer, ein Untergebener, der mit mehr Machtbefugnissen als man selbst ausgestattet ist, alter Pister, da musst du auf der Hut sein. Der ist nicht umsonst in dieser Stellung. Sei ihm Freund, und alles wird gut! Sei ihm Freund, und nimm ihn ernst, dachte Pister, ehe er fortfuhr: „Bauen Sie auf mich, Obersturmführer, Offenheit und Treue, das sind Prinzipien unserer Organisation, für die auch ich einstehe.“
    „Umso besser, dann ist das also geklärt?“
    „Auf jeden Fall. Ich unterstütze Sie, Sie unterstützen mich“, sagte Pister und wartete auf eine Bestätigung, die von Schmelz jedoch nicht kam. Nicht einmal ein Nicken, verdammter Bastard! Standartenführer Pister musste kurz die Augen schließen und sich zusammennehmen, um nicht doch noch loszubrüllen. Anscheinend wusste dieser Ermittlungsrichter ja gar nichts vom geheimen Ehrenkodex der SS, du gibst mir und ich gebe dir. Dieses ungeschriebene Gesetz war es doch, was die ganze Organisation zusammenhielt, und dieser Schnösel da, dieser Trottel!
    „Ich bin im Hotel ‚Elephant‘ in Weimar einquartiert“, sagte Schmelz: „Also brauche ich einen Wagen, und als Fahrer nehme ich den Sturmmann da vorne, den Heinze.“
    „Den Heinze? Sind Sie sicher? Den plumpen Heinze? Der wurde schon seit Monaten nicht befördert!“
    „Dann befördern Sie ihn. Bis morgen, zehn Uhr. – Morgen kommen auch noch zwei Mitarbeiter von mir an. Doktor Tarnat und Michael Liebig von der Kripo Berlin.“
    „Gut. Noch was?“
    „Alles andere hat noch bis morgen Zeit. Morgen fange ich richtig an! Sie sollten sich aber überlegen, diesen Spruch hier aus dem Gitter entfernen zu lassen. Ich verstehe den Witz zwar nicht, vermute aber, er ist äußerst geschmacklos, oder?“
    „Nicht so geschmacklos wie Koch selbst. Er soll immer gesagt haben, als er hier noch Lagerleiter war: ‚Jedem das Seine, und mir das meiste.‘ Das finde ich, mit Verlaub, geschmacklos.“
    Schmelz, der schon den Koffer gehoben und sich zum Gehen umgedreht hatte, fuhr herum und sah Pister fest in die Augen: „Wann hat dieser Koch das gesagt, wie oft und zu welchen Gelegenheiten? Sagen Sie schon, sagen Sie schon! Wann zum ersten Mal, Mann, antworten Sie! Wann zum ersten Mal?“
    Zum Ende der Frage hin milderte er zwar den scharfen Ton, und schnell fügte er noch an, ihn interessiere eben alles und jeder, warum nicht dann auch dieser Koch, aber Schmelz war sich sicher, Pister habe Lunte gerochen. Wie er schon schaute! Schmelz nannte sich einen Narren. Jetzt konnte der sich seinen Reim machen! Wie der grinst, und wie befreit er wirkt, dachte Schmelz, als wolle er sagen, ach, aus dieser Richtung weht der Wind! Mann! So etwas Blödes wie dich, Schmelz, gibt es auch nur einmal auf der Welt! Scheiß Emotionen! Gefühle müssen vereitelt werden, halt dich gefälligst daran! Gefühle bringen nur alles durcheinander, halte sie raus, Mann, halte sie endlich raus!
    „Keine Ahnung“, sagte Pister endlich: „Das müsste ich nachprüfen lassen. Wenn es Ihnen so wichtig ist, Obersturmführer?“
    „Das weiß man nie, was am Ende wichtig und was unwichtig ist,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher