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Letzte Fischer

Titel: Letzte Fischer
Autoren: Volker Harry Altwasser
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Bissen zu sich nahm, erhob er sein Glas und sagte: »Auf langer Finger !«
    Opernsänger goss Richard und sich Wasser aus der Karaffe ein, die auf der Back stand, und zu dritt stießen sie auf den toten Deckmann an, ehe sie beim Schlürfen und Kauen an den gestrigen Tag dachten. Auch gestern hatte Robert Rösch während der Freiwache wieder auf der Trawlbrücke gestanden. Quälende Stunden. Ein Leerfang jagte den anderen, bis sich das Nylonnetz dann doch noch in die Länge zog.
    Rösch sah wenig später den Bestmann auf dem Fangdeck unters Netz treten. Sein großer Augenblick! Der Moment seines geheiligten Handgriffes! Jenes Handgriffes, der ihn über alle anderen Menschen erhob.
    Nur der Bestmann war in der Lage, den Steertknoten zu lösen, der ein hochkompliziertes Gebilde darstellte und das gesamte Netz zusammenhielt. Er hatte diesen Knoten erfunden, wie jeder Bestmann auf jedem Trawler seinen eigenen Knoten erfand, war dies doch seit jeher Tradition auf den Trawlern. Nur der Bestmann durfte den Steertknoten schlagen, der das gewaltige Netz zusammenhielt, und der doch mit einem einzigen Handgriff zu lösen sein musste. Einen Handgriff, den nur der Bestmann kannte.
    Die beiden Trupps der Deckmänner standen sich gegenüber und hielten die Leinen straff, an die der Bestmann gebunden war, so dass er nach seinem geheiligten Handgriff zur einen Seite gezogen und von der anderen Seite gleichzeitig gebremst werden konnte. Der Mann stellte sich breitbeinig hin, sah nach oben, wo ein schmaler roter Wal im Netz baumelte, ging leicht in die Knie. Er hob beide Arme in die Höhe, tastete einen Moment den Knoten mit geschlossenen Augen ab und hielt inne.
    Auch der Bestmann stellte sich in seinem schwierigsten Moment seine Ehefrau vor. Robert Rösch wusste es von ihm selbst. Er stelle sich vor, er übergebe ihr endlich die Schlüssel zu ihrem Altenteil in der Toskana. Der Schlüssel selbst sei wie ein Knoten geschmiedet, der beste Steertknoten, den die Welt je gesehen habe.
    Robert Rösch sah ihn die Augen öffnen und seinen Leuten ein Zeichen geben. Sie ließen die Seile locker, er sprang hoch, klammerte sich an einen bestimmten Teil des Knotens, nahm die Beine in die Hocke und zog den Knoten beim Herunterfallen mit dem eigenen Körpergewicht auf.
    Und noch ehe er auf dem Hosenboden landete, wurde er abbremsend zur Seite gezogen, während Tausende von Rotbarschen dicht an ihm vorbei in den Frischwassertank prasselten. Hinter sich den Fischregen , erhob sich der Bestmann und nickte sich selbst zu.
    Der Bootsmann atmete neben Robert Rösch zufrieden auf und gab mittels Funk den Befehl, die vorbeigefallenen Fische mit den Wasserspritzen in die Luke zu fegen und diese dann gut zu verschließen.
    Auch die Stimme des Kommandanten klang zufrieden, als sie wenig später durch die Lautsprecher drang: »Geschirr aufklaren und erneut aussetzen!«
    Über das schon wieder vereiste Fangdeck wurde das Fangnetz ausgelegt, die Leinen wurde aufgerollt und an die Seite gelegt, die Kurrleinen wurden locker zu Schlaufen verholt und die Scheerbretter ausgerichtet, während der Bestmann allein am Deckende stand, die Hacke eines Fußes über der Heckkante, und, abgeschirmt vom Kettenkasten des Steuerbordankers, erneut einen Steertknoten schlug.
    »Jetzt dreht er«, sagte der Bootsmann: »Wird wohl was Riesiges auf dem Fischradar haben.«
    Und nun bemerkte auch Rösch, dass das Schiff einen Bogen gefahren war und genau an die Stelle zurückkam, an der sie kurz zuvor den Fisch gestellt hatten.
    »Das geht noch ein paar Stunden so«, sagte der Windenfahrer: »Endlich!«
    Der Bootsmann nickte und sprach ins Funkgerät: »Kombüse! Zwei Pott Kaffee auf die Trawlbrücke! – Herr Kapitän, wir glauben, Sie haben mal wieder einen Riecher!«
    »Na ja«, schnarrte es aus den Lautsprechern: »Ein Kaffee wird wohl erst einmal reichen!«
    »Das ist doch ein Wort«, gab der Bootsmann zurück, ehe er den Zuschauer Rösch bemerkte und sagte: »An die Kombüse! Drei verdammte Pötte, wir haben eine Blindschleiche hier!«
    »Drei Pötte ohne Kötte !«, kam es aus dem Funkgerät, und obwohl die einhundertsechsundsiebzig Männer nun schon über fünf Monate zusammen zur See fuhren, vierundzwanzig Stunden am Tag beieinander, hatte doch noch niemand von ihnen herausbekommen, was der Smutje immer mit Kötte meinte. Wieder schüttelte Robert Rösch den Kopf, während der Bootsmann abwinkte und der Windenfahrer die Schultern hob.
    »Netz klar«, sagte der Bestmann durch die
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